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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

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B. Die Mitglieder
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I. Antrittsreden
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Heike Karbstein
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https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0192
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B. Die Mitglieder

untereinander verkettet als in Fleisch. Dies verursacht bei uns als Konsument ein
meist als unangenehm empfundenes, breiiges oder krümeliges Kaugefühl. Die
Verfahrenstechnik bietet Lösungen, Proteine neu zu verketten und faserige Struk-
turen mit ansprechendem Kaugefühl entstehen zu lassen. Hierzu müssen wir ge-
nau verstehen, wie sich Proteine unter Temperaturbelastung in Scherströmungen
ausrichten und wie thermodynamische Inkompatibilität von Polymerlösungen
entsteht. Dank ihr können aus pflanzlichen Proteinquellen Produkte mit Fleisch-
textur hergestellt werden.
Geblieben ist der Spagat zwischen der reinen Verfahrenstechnik, die meine
Heimatfakultät ausmacht, und den Life Sciences, aus denen ich meine Fragestel-
lungen beziehe und deren molekulares Wissen ich benötige. Dies bedeutet auch,
zwei Netzwerke und zwei Finanzierungsquellen am Leben zu erhalten. Meine
Studierenden und Promovierenden danken es mir durch Begeisterung für die
Fragestellungen aus dem Bereich der nachhaltigen Herstellung qualitativ hoch-
wertiger Produkte. Bei Lebensmitteln kann sich irgendwie jeder vorstellen, was
gute Qualität ist und warum man diese bevorzugt, oder? So können wir nicht
nur unsere Grundlagenforschung finanzieren, sondern haben auch immer wieder
begeisterte Studierendengruppen, die neben der Ausbildung innovative Produkte
entwickeln. Jedes Jahr lasse ich die beste Gruppe am europäischen Ecotrophelia-
Wettbewerb teilnehmen. Dafür müssen die Studierenden nicht nur eine innovati-
ve Produktidee haben, sondern dafür auch ein Herstellungsverfahren entwickeln,
das Nachhaltigkeitsaspekten standhalten kann, Marketing- und Logistikkonzept
vorlegen und kritischen Verkostungen durch Entwicklungsleiter bekannter Le-
bensmittelunternehmen standhalten. Dank meiner Industrieerfahrung lasse ich
hierfür Teams aus den Studiengängen Wirtschaftsingenieurwesen, Lebensmittel-
chemie, Bio- und Chemieingenieurwesen Zusammenarbeiten. Wir haben bereits
viele Preise gewonnen. Wenn sie demnächst einen essbaren Strohhalm aus Apfel-
trester im Supermarkt kaufen, denken Sie an uns!
Die Lehre macht mir besondere Freude und meine jahrelange Tätigkeit als
Studiendekanin der Fakultät ermöglicht mir, meine Gedanken zur Gestaltung
der Studiengänge einzubringen. Hier warten - so denke ich - spannende Auf-
gaben, auch durch einen Wandel in Alter, Denk- und Lernmethoden unserer
Studierenden.
Ich hoffe, mein Rückblick war nicht zu persönlich. Vielleicht konnte ich
Ihnen ein bisschen von meiner Begeisterung für mein Fachgebiet vermitteln.
Mit den Genderaspekten wollte ich weder anklagen, noch langweilen. Ich habe
den Drahtseilakt ,Frau als Mutter4 und ,Frau in einem Männerberuf4 intensiv
kennengelernt. Und ich bin dankbar, wenn ich an meinen heutigen Doktoran-
dinnen und Stieftöchtern sehe, wie stark sich unsere Gesellschaft in den weni-
gen Jahren gewandelt hat und welche Möglichkeiten junge Frauen heute haben.
Weiter so!

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