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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

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B. Die Mitglieder
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I. Antrittsreden
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Heike Karbstein
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https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0191
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Antrittsrede von Heike Karbstein

Kindergärten waren noch völlig unbekannt in Deutschland - ein Kulturschock,
wenn man aus einem frankophonen Land kam.
Das MRI ist dem Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz
nachgeordnet. Mein Institut war u.a. verantwortlich für die Studien zum gerade
gestellten Zulassungsantrag aus der Industrie zur Konservierung von mikrobiolo-
gisch stark belasteten Lebensmitteln durch ionisierende Gammastrahlen. Solche
Studien anzulegen und auszuwerten ist fachlich kein Problem, die Ergebnisse und
den daraus resultierenden Vorschlag zur Gesetzgebung einem damals grün geführ-
ten Ministerium zu vermitteln allerdings schon. Nie vergessen werde ich einen
Berliner Abend mit Staatssekretär Müller aus dem Team von Renate Kühnast, an
dem er - wie ich damals noch naiv dachte - diese Fragestellung inhaltlich disku-
tieren wollte. Ich habe schnell und intensiv gelernt, dass in der Politik ganz andere
Argumente zählen. Bei der Frage nach der Haltbarmachung von Lebensmitteln
gegen unnötigen Verlust an Rohstoffen - ein heute immer drängenderes Problem
- gab es allerdings für mich v. a. zu lernen, dass Ideologie Mauern errichten kann.
Daran musste ich dieses Jahr denken, als Papst Franziskus den Wunsch an Trump
richtete, Brücken statt Mauern zu bauen.
Wenig später bekam ich den Ruf auf den Eehrstuhl meines Doktorvaters. Die
Berufungsverhandlungen zeigten wiederum die Grenzen der Fortschrittlichkeit
des deutschen Systems: So bekam ich im Ministerium auf meinen Gehaltswunsch
hin wieder einmal zu hören: „Sie haben doch einen Ehemann, um Sie zu versor-
gen“. Ich musste eine Bewerbung auf die Stelle des Präsidenten des Max-Rubner-
Instituts zwischenschieben, damit wir uns einig werden konnten.
Seit 2004 führe ich nun den Eehrstuhl für Eebensmittelverfahrenstechnik
am KIT. Der Start war deutlich schwieriger als erwartet. V a. bei Nestle herrschte
strenges Veröffentlichungsverbot, so dass ich sehr wenige Publikationen vorzu-
weisen hatte. Meine Denkweise war inzwischen geprägt worden von den Erfah-
rungen in der industriellen Anwendung. Es galt zu lernen, zwischen Fragen nach
wirtschaftlichem Sinn und Erkenntnisgewinn abzuwägen. Meine industriellen
Netzwerke halfen für das Stellen von Forschungsanträgen kaum und der Kampf
um Drittmittel in einem mir unbekannten System musste gelernt werden. Die
wissenschaftlichen Fragen, die mich seit meiner Zeit bei BASF und Nestle be-
schäftigten, resultierten in inzwischen gut laufenden Forschungsgebieten. Meine
Forschungsgruppe, die sich mit der mechanischen Strukturierung von Proteinen
beschäftigt, wächst mit einer fast atemberaubenden Geschwindigkeit. Ahnen Sie
warum? Nachhaltigkeitsfragen sind ins Zentrum des öffentlichen Interesses ge-
rückt. Dazu gehört auch, eine stetig wachsende Weltbevölkerung mit Proteinen
zu versorgen. Dies über Hühner, Schweine oder Kühe zu realisieren, können wir
uns vor dem Hintergrund der CCh-Belastung und Wasserknappheit nicht leisten.
Zum Glück haben wir aber genug Proteine als Rohstoffe, z. B. aus Nebenströmen
der Getreide- und Ölgewinnung, aus Insekten oder Algen. Nur diese sind anders

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