Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2019
DOI Kapitel:
II. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Artikel:
Debatin, Klaus-Michael: Zelltod: Sensitivität und Resistenz in der Tumotherapie
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0057
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Klaus-Michael Debatin

Klaus-Michael Debatin
„Zelltod: Sensitivität und Resistenz in der Tumotherapie"
Sitzung der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse am 26. April 2019
Krebs ist die zweithäufigste Todesursache in den entwickelten Ländern. Die Zahl
der Krebserkrankungen steigt vor allem bedingt durch die älter werdende Bevölke-
rung. Dem Anstieg an Krebserkrankungen stehen allerdings auch in zunehmendem
Maße Erfolge in der Krebsbehandlung gegenüber. So haben sich die Überlebensra-
ten fünf oder zehn Jahre nach Diagnose bei vielen Krebserkrankungen wie Haut-,
Brust-, Lymphknotenkrebs und anderen häufigen Krebserkrankungen über die letz-
ten Jahrzehnte signifikant verbessert. Besonders eindrücklich sind hierbei die Erfol-
ge in der Krebsbehandlung bei Kindern und Jugendlichen. Dabei ist zum einen zu
berücksichtigen, dass hier besondere Krebserkrankungen im Vordergrund stehen,
die häufigste Erkrankung ist die akute lymphatische Leukämie, die bei älteren Men-
schen eher selten vorkommt, zum anderen werden diese Krebserkrankungen seit
langem durch eine zumeist intensive Therapie in Kombination von Medikamenten,
Strahlentherapie und Operationen behandelt. Die Erfolge sind eindrucksvoll. Für
die akute lymphatische Leukämie sind dauerhafte Heilungsraten von 20 % möglich,
Ähnliches gilt auch für andere Erkrankungen. Selbst im metastasierten Stadium
ist durch intensive, systemische Chemotherapie eine Heilung realistisch. Offen-
sichtlich reagieren die Tumorerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen sehr viel
sensitiver auf die eingesetzte Therapie und sind insbesondere sehr viel empfindli-
cher auf die seit den 60er Jahren systematisch eingeführte Chemotherapie. Hierbei
werden mehrere Medikamente gleichzeitig gegeben und kombiniert, die zum Ziel
haben, Tumorzellen so zu schädigen, dass ihre Reparaturmechanismen überfordert
werden und sie absterben. Dabei scheint es ein „therapeutisches Fenster“ zwischen
Tumorzellen und normalen Zellen zu geben. Eindrücklich sind diese Effekte z. B.
bei Tumorerkrankungen des lymphatischen Systems zu sehen, bei dem selbst große
Tumoren nach wenigen Wochen Chemotherapie verschwinden.
Der Beginn der Krebstherapie liegt in der 1948 im New England Journal of
Medicine veröffentlichten Beobachtung der Remissionsinduktion bei der akuten
lymphatischen Leukämie bei Kindern durch Hemmstoffe bzw. Antagonisten der
Folsäure. Man ging damals davon aus, dass Tumorzellen Folsäure benötigen, da
sie sich rasch teilten. Dieses Prinzip der Interferenz der Medikamente mit einer
Achillesferse oder Schlüsselstelle des Zellstoffwechsels oder der Zellteilung ist bis
heute die Grundlage der Chemotherapie von Tumoren durch Medikamente, de-
ren Wirkung im Prinzip ausschließlich auf Zellschädigungseffekten beruht.
Warum sind nun Tumoren sensitiv bzw. resistent gegen die Systemtherapie?
Dazu gibt es zum einen generelle Mechanismen, die abhängig von der verabreich-
ten Substanz sind: z. B. die Aufnahme über den Darm, Verteilung im Körper,

57
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften