Verleihung des Karl-Jaspers-Preises 2019
Laudatio auf Rudolf G. Wagner
von Jens Ha/fwassen
Magnifizenz,
Herr Oberbürgermeister,
Herr Akademiepräsident,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
vor allem aber: Liebe Cathy Yeh,
es sind widersprüchliche Gefühle, die uns - oder jedenfalls mich - heute Abend
bewegen. Die Trauer über den unerwartet plötzlichen Tod meines eminenten Kol-
legen und langjährigen lieben Freundes Rudolf Wagner ist noch ganz frisch. Ru-
dolf Wagner hat auf den heutigen Tag hingelebt und wollte ihn unbedingt noch
erleben. Leider war es ihm nicht mehr vergönnt. Die Welt ist ärmer ohne diesen
herausragenden Gelehrten, brillanten Denker und liebenswürdigen Menschen. In
die Trauer aber mischt sich die Freude darüber, dass Rudolf Wagner den Karl-
Jaspers-Preis erhält. Denn er hat ihn wahrlich verdient!
Meine Laudatio besteht aus zwei Teilen. Im ersten möchte ich an einen gro-
ßen und zukunftsweisenden Gedanken von Karl Jaspers erinnern: seine Idee einer
„Weltphilosophie“. Im zweiten Teil will ich versuchen zu würdigen, wie Rudolf
Wagner diese Idee in Heidelberg umgesetzt und institutionalisiert hat. Da ich kein
Sinologe bin, sondern Philosoph, konzentriert sich meine Würdigung auf Wag-
ners philosophische Leistung als Erforscher und Deuter der klassischen chinesi-
schen Philosophie. Meine Kollegen Barbara Mittler und Jan Assmann, gemeinsam
mit seiner Frau Aleida Assmann der letzte Träger des Karl-Jaspers-Preises, werden
anschließend die wissenschaftliche Leistung Rudolf Wagners stärker aus sinologi-
scher und interdisziplinärer Perspektive würdigen.
I.
Die Idee einer „Weltphilosophie“ entwickelte Karl Jaspers in Basel, wohin er
1948 von Heidelberg wechselte. 1957 erschien das Buch Die großen Philosophen, in
dem Jaspers diese Idee der Öffentlichkeit präsentierte. Die großen Philosophen, ein
Band von fast 1.000 Seiten, ist nur der erste Teil eines größer angelegten Unter-
nehmens: einer geplanten „Weltgeschichte der Philosophie“. Aus dem Nachlass,
der zu diesem Projekt mehr als 10.000 Blatt umfasst, wurden postum noch drei
weitere Bände ediert. Es geht Jaspers in seiner „Weltgeschichte der Philosophie“
darum, die drei großen philosophischen Denktraditionen, die in der von Jaspers
so genannten „Achsenzeit der Weltgeschichte“ zwischen 800 und 200 vor Chr.
unabhängig voneinander in Griechenland, Indien und China entstanden sind, als
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Laudatio auf Rudolf G. Wagner
von Jens Ha/fwassen
Magnifizenz,
Herr Oberbürgermeister,
Herr Akademiepräsident,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
vor allem aber: Liebe Cathy Yeh,
es sind widersprüchliche Gefühle, die uns - oder jedenfalls mich - heute Abend
bewegen. Die Trauer über den unerwartet plötzlichen Tod meines eminenten Kol-
legen und langjährigen lieben Freundes Rudolf Wagner ist noch ganz frisch. Ru-
dolf Wagner hat auf den heutigen Tag hingelebt und wollte ihn unbedingt noch
erleben. Leider war es ihm nicht mehr vergönnt. Die Welt ist ärmer ohne diesen
herausragenden Gelehrten, brillanten Denker und liebenswürdigen Menschen. In
die Trauer aber mischt sich die Freude darüber, dass Rudolf Wagner den Karl-
Jaspers-Preis erhält. Denn er hat ihn wahrlich verdient!
Meine Laudatio besteht aus zwei Teilen. Im ersten möchte ich an einen gro-
ßen und zukunftsweisenden Gedanken von Karl Jaspers erinnern: seine Idee einer
„Weltphilosophie“. Im zweiten Teil will ich versuchen zu würdigen, wie Rudolf
Wagner diese Idee in Heidelberg umgesetzt und institutionalisiert hat. Da ich kein
Sinologe bin, sondern Philosoph, konzentriert sich meine Würdigung auf Wag-
ners philosophische Leistung als Erforscher und Deuter der klassischen chinesi-
schen Philosophie. Meine Kollegen Barbara Mittler und Jan Assmann, gemeinsam
mit seiner Frau Aleida Assmann der letzte Träger des Karl-Jaspers-Preises, werden
anschließend die wissenschaftliche Leistung Rudolf Wagners stärker aus sinologi-
scher und interdisziplinärer Perspektive würdigen.
I.
Die Idee einer „Weltphilosophie“ entwickelte Karl Jaspers in Basel, wohin er
1948 von Heidelberg wechselte. 1957 erschien das Buch Die großen Philosophen, in
dem Jaspers diese Idee der Öffentlichkeit präsentierte. Die großen Philosophen, ein
Band von fast 1.000 Seiten, ist nur der erste Teil eines größer angelegten Unter-
nehmens: einer geplanten „Weltgeschichte der Philosophie“. Aus dem Nachlass,
der zu diesem Projekt mehr als 10.000 Blatt umfasst, wurden postum noch drei
weitere Bände ediert. Es geht Jaspers in seiner „Weltgeschichte der Philosophie“
darum, die drei großen philosophischen Denktraditionen, die in der von Jaspers
so genannten „Achsenzeit der Weltgeschichte“ zwischen 800 und 200 vor Chr.
unabhängig voneinander in Griechenland, Indien und China entstanden sind, als
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