Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

DOI Kapitel:
B. Die Mitglieder
DOI Kapitel:
II. Nachrufe
DOI Artikel:
Halfwassen, Jens: Werner Beierwaltes
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0210
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
B. Die Mitglieder

übersteigt. Der Nachweis dieses christlichen Neuplatonismus als einer eigenstän-
digen Vollendungsgestalt metaphysischer Theoriebildung zwischen Plotin und
Hegel gehört zu Beierwaltes’ größten und originellsten Leistungen.
Geboren wurde Werner Beierwaltes am 8. Mai 1931 in Klingenberg am Main
als Sohn einer Beamtenfamilie. Die beschwingte Heiterkeit und die katholisch-
barocke Lebensfreude und Weltzugewandtheit seiner fränkischen Heimat haben
ihn geprägt. Sie manifestierten sich auch in seiner ausgeprägten Musikalität - er
war seit früher Jugend ein passionierter Organist - und in seiner Liebe zum Schö-
nen und zur Kunst, die der Platoniker als „Theophanie“ begriff, als Vorschein des
Göttlichen und Absoluten in der Welt. Von 1941 bis 1950 besuchte Beierwaltes
die Oberschule in Miltenberg (ab 1947 humanistisches Gymnasium). Zwei sei-
ner dortigen Lehrer, Franz Wämser und Karl Pfändtner, weckten seine Liebe zur
Literatur und zu den klassischen Sprachen. Die Lektüre von Platons Phaidon und
von Romano Guardinis Tod des Sokrates motivierten ihn, nach dem Abitur nach
München zu gehen und dort Philosophie, Klassische Philologie und Germanis-
tik zu studieren. Neben Romano Guardini wurde sein wichtigster Lehrer in der
Philosophie Henry Deku, ein unbekannter Außenseiter, der ihn auf Plotin hin-
wies und dessen gesammelte Aufsätze Beierwaltes später herausgegeben hat. In
der Latinistik beeindruckte ihn Friedrich Klingner. 1957 promovierte Beierwal-
tes bei dem Gräzisten Rudolf Pfeiffer mit einer Arbeit über die Lichtmetaphysik
der Griechen. Nach zweijährigem Referendariat wurde er 1958 Assistent des von
Heidegger und Augustinus beeinflussten Philosophen Rudolph Berlinger an der
Universität Würzburg.
Die beiden eingangs erwähnten Bücher über Proklos und Plotin machten ihn
rasch berühmt und legten den Grundstein zu einer fulminanten akademischen
Karriere, die Beierwaltes über Lehrstühle in Münster (1969) und Freiburg (1974)
schließlich 1982 zurück nach München führte, wo Dieter Henrich, Robert Spa-
emann und Hans Maier seine Kollegen waren und wo er bis zu seiner Emeritie-
rung 1996 lehrte; mit den Theologen Hans Urs von Balthasar, Josef Ratzinger und
Wolfhart Pannenberg war er intellektuell und freundschaftlich verbunden, ebenso
mit dem Germanisten und Mystikforscher Alois M. Haas. Werner Beierwaltes hat-
te zahlreiche Schüler: er habilitierte Friedrich Uehlein, Michael Elsässer, Alfons
Reckermann, Siegbert Peetz und Markus Enders, zu seinen Doktoranden gehör-
ten neben anderen Thomas Leinkauf, Douglas Hedley, Georgia Apostolopoulou,
Christoph Horn, Thomas Böhm, Nicoletta Scotti und Mark-Aeilko Aris. Mün-
chen wurde durch ihn für viele Jahre zum Mekka der Neuplatonismusforschung.
Als akademischer Lehrer und vielgefragter Redner verfügte Beierwaltes über das
Charisma, das die Präsenz des Geistes verleiht; als Mensch war er von seltener
Liebenswürdigkeit, die sich in den zahlreichen Freundschaften bewährte, die er
nicht nur mit Kollegen und Schülern, sondern auch mit Malern und Musikern
unterhielt; seine zahlreichen Gäste haben seine schöne Wohnung in Grünwald bei

210
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften