Nachruf auf Albrecht Dihle
ihn die Göttinger Fakultät - unter Berücksichtigung eines sehr eingehenden, dem
Kandidaten nichts schenkenden Gutachtens des Münchner Byzantinisten Franz
Dölger (1891 —1968) - im Jahre 1950 habilitiert hat.54 Nach erfolgter Habilitation
machte Latte ihn 1953 zum Herausgeber der angesehenen, von ihm wiederbeleb-
ten „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“, eine Aufgabe, die Dihle bis zum Jahr
von Lattes Emeritierung (1957) wahrnahm. Aus dem Themenkreis der bis heute
ungedruckten Habilitationsschrift veröffentlichte Dihle 1954 im „Hermes“ den
Aufsatz „Die Anfänge der griechischen akzentuierenden Verskunst“,55 in dem er
nach dem Urteil des Wiener Byzantinisten Herbert Hunger „das Klügste über ei-
nen möglichen Ausgangspunkt der Entwicklung zum akzentuierenden Vers“ der
Byzantiner gesagt hat.56 Im Januar desselben Jahres wurde Dihle in Göttingen zu-
nächst zum Universitätsdozenten und sodann zum außerplanmäßigen Professor
ernannt.
Von dieser Zeit an lässt sich Dihles wissenschaftliche Arbeit als der Versuch
beschreiben, sich bei der Suche nach den dauerhaften, in antiken Texten beschlos-
senen Werten, die ihm Paul Maas ans Herz gelegt hatte, nicht auf die künstlerisch
vollendeten Werke der klassischen griechischen Literatur von Homer bis Platon zu
beschränken, sondern dabei auch spätere Texte und insbesondere das Feld „Antike
und Christentum“ einzubeziehen, das Alfons Maria Schneider ihm eröffnet hatte.
Das Ergebnis dieser Suche hat Dihle weder in seinen Schriften noch im akademi-
schen Unterricht auf eine einfache Formel gebracht: Er scheute davor zurück, die
fatale Aktualisierung der Altertumsforschung im Dienst des Dritten Reiches nun
durch eine ebenso plakative Aktualisierung in anderer Richtung, welche es auch
sei, zu ersetzen (selbst die Art und Weise, in der in der alten Bundesrepublik auf
einmal „die Antike als Lehrmeisterin demokratischen Verhaltens wiederentdeckt
wurde“,57 war ihm nicht ganz geheuer). Er hat das Ergebnis aber auch nicht ver-
schwiegen. Vielmehr hat er darauf durch sein wissenschaftliches CEuvre hingewie-
sen, wie wir im Folgenden an seinen wichtigsten Werken zeigen wollen.58
Im Sommer 1954 bot ein mehrmonatiger Studienaufenthalt in der Villa des
Barons Kurd von Hardt (1889-1958) in Vandceuvres bei Genf, in der dieser ei-
ne Forschungsstätte für Altertumswissenschaftler eingerichtet hatte („Fondation
Hardt“), Dihle die Möglichkeit zur Ausarbeitung seiner „Studien zur antiken
54 Auch die Einsichtnahme in Dihles Habilitationsschrift und in ein Resume von Franz Dölgers
Gutachten wurde uns durch Dr. Becht-Jördens ermöglicht, in dessen Besitz sich beides be-
findet.
55 Dihle 1954.
56 Hunger 1978, 89.
57 Dihle 1997, 235.
58 Eine vollständige Besprechung von Dihles CEuvre beabsichtigen wir natürlich nicht: sie wür-
de ein eigenes Buch erfordern. Für ein zweiteiliges Verzeichnis der Schriften Dihles kann
auf die beiden Festschriften verwiesen werden, die ihm zum 70. und zum 85. Geburtstag
gewidmet wurden, vgl. Most et al. 1993, 482 — 493 und Jördens et al. 2008, 404—410.
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ihn die Göttinger Fakultät - unter Berücksichtigung eines sehr eingehenden, dem
Kandidaten nichts schenkenden Gutachtens des Münchner Byzantinisten Franz
Dölger (1891 —1968) - im Jahre 1950 habilitiert hat.54 Nach erfolgter Habilitation
machte Latte ihn 1953 zum Herausgeber der angesehenen, von ihm wiederbeleb-
ten „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“, eine Aufgabe, die Dihle bis zum Jahr
von Lattes Emeritierung (1957) wahrnahm. Aus dem Themenkreis der bis heute
ungedruckten Habilitationsschrift veröffentlichte Dihle 1954 im „Hermes“ den
Aufsatz „Die Anfänge der griechischen akzentuierenden Verskunst“,55 in dem er
nach dem Urteil des Wiener Byzantinisten Herbert Hunger „das Klügste über ei-
nen möglichen Ausgangspunkt der Entwicklung zum akzentuierenden Vers“ der
Byzantiner gesagt hat.56 Im Januar desselben Jahres wurde Dihle in Göttingen zu-
nächst zum Universitätsdozenten und sodann zum außerplanmäßigen Professor
ernannt.
Von dieser Zeit an lässt sich Dihles wissenschaftliche Arbeit als der Versuch
beschreiben, sich bei der Suche nach den dauerhaften, in antiken Texten beschlos-
senen Werten, die ihm Paul Maas ans Herz gelegt hatte, nicht auf die künstlerisch
vollendeten Werke der klassischen griechischen Literatur von Homer bis Platon zu
beschränken, sondern dabei auch spätere Texte und insbesondere das Feld „Antike
und Christentum“ einzubeziehen, das Alfons Maria Schneider ihm eröffnet hatte.
Das Ergebnis dieser Suche hat Dihle weder in seinen Schriften noch im akademi-
schen Unterricht auf eine einfache Formel gebracht: Er scheute davor zurück, die
fatale Aktualisierung der Altertumsforschung im Dienst des Dritten Reiches nun
durch eine ebenso plakative Aktualisierung in anderer Richtung, welche es auch
sei, zu ersetzen (selbst die Art und Weise, in der in der alten Bundesrepublik auf
einmal „die Antike als Lehrmeisterin demokratischen Verhaltens wiederentdeckt
wurde“,57 war ihm nicht ganz geheuer). Er hat das Ergebnis aber auch nicht ver-
schwiegen. Vielmehr hat er darauf durch sein wissenschaftliches CEuvre hingewie-
sen, wie wir im Folgenden an seinen wichtigsten Werken zeigen wollen.58
Im Sommer 1954 bot ein mehrmonatiger Studienaufenthalt in der Villa des
Barons Kurd von Hardt (1889-1958) in Vandceuvres bei Genf, in der dieser ei-
ne Forschungsstätte für Altertumswissenschaftler eingerichtet hatte („Fondation
Hardt“), Dihle die Möglichkeit zur Ausarbeitung seiner „Studien zur antiken
54 Auch die Einsichtnahme in Dihles Habilitationsschrift und in ein Resume von Franz Dölgers
Gutachten wurde uns durch Dr. Becht-Jördens ermöglicht, in dessen Besitz sich beides be-
findet.
55 Dihle 1954.
56 Hunger 1978, 89.
57 Dihle 1997, 235.
58 Eine vollständige Besprechung von Dihles CEuvre beabsichtigen wir natürlich nicht: sie wür-
de ein eigenes Buch erfordern. Für ein zweiteiliges Verzeichnis der Schriften Dihles kann
auf die beiden Festschriften verwiesen werden, die ihm zum 70. und zum 85. Geburtstag
gewidmet wurden, vgl. Most et al. 1993, 482 — 493 und Jördens et al. 2008, 404—410.
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