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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2020 — 2021

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B. Die Mitglieder
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II. Nachrufe
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Höffe, Otfried: Jens Halfwassen: (16. 11. 1958 − 14. 2. 2020)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61621#0123
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Nachruf auf Jens Halfwassen

der Basler Karl-Jaspers-Stiftung. Von den zahlreichen Ehrungen können ebenfalls
bloß wenige genannt werden: der Rudolf-Meimberg-Preis der Akademie der Wis-
senschaften und Literatur Mainz (2003) und die philosophische Ehrendoktorwür-
de der Staatlichen Universität Athen (2014).
In seinem Lehr- und Forschungsprofil widersprach Halfwassen nachdrück-
lich der heute vorherrschenden Tendenz zu einer immer engeren Spezialisierung.
Im Gegensatz zu einer weiteren Engführung, der verbreiteten Trennung von phi-
losophiegeschichtlicher Forschung und eigenem systematischen Denken, pflegte
Halfwassen, im Wissen um deren notwendiger Verbindung, beide Seiten. Sei-
ne beinahe enzyklopädische philosophiegeschichtlichc Kompetenz setzt bei den
Denkern der Philosophie der Antike an. Von ihnen hat Halfwassen nicht bloß die
beiden Maßstäbe setzenden „Kirchenväter“ Platon und Aristoteles bearbeitet, son-
dern ebenso die herausragenden Neuplatoniker Plotin, Proklos und Ps.-Dionysius
Areopagita. Vom sogenannten Mittelalter befasste er sich sowohl mit Anselm von
Canterbury als auch mit Dietrich von Freiberg, Meister Eckhart und „natürlich“
Nikolaus von Kues. Und von der Neuzeit forschte und lehrte er vor allem zum
Deutschen Idealismus, zu Fichte und Schelling, insbesondere zu Hegel.
In systematischer Hinsicht wiederum sticht das Interesse an den verschiede-
nen Aspekten der Metaphysik hervor, einschließlich philosophischer Theologie
und Ontologie, ferner das Interesse an einer Subjektivitätstheorie und an der Re-
ligionsphilosophie. Nicht zuletzt aufgrund dieser im universitären Diskurs selten
gewordenen Verbindung einer immensen historischen Bildung mit begrifflicher
Klarheit und spekulativer Tiefe war Halfwassen ein wahrhaft vorbildlicher Vertre-
ter seines Faches.
Werfen wir einen Blick auf Jens Halfwassens reiche Publikationstätigkeit. Ein
erstes Mal tritt die stupende Gelehrsamkeit in der von Karl Bormann in Köln be-
treuten Dissertation an die akademische Öffentlichkeit: Der Aufstieg zum Einen.
Untersuchungen zu Platon und Plotin. Die zählt inzwischen ebenso zu den Standard-
werken der Forschung wie die unter Klaus Düsing entstandene erneut hochge-
lehrte Habilitationsschrift Hegel und der spätantike Neuplatonismus. Untersuchungen
zur Metaphysik des Einen und des Nous in Hegels spekulativer und geschichtlicher Deutung.
Es folgen in der von mir herausgegebenen Reihe „Denker“ Plotin und der Neupla-
tonismus - die englische Übersetzung erscheint bei Cambridge University Press -
und als dritte große Monographie Auf den Spuren des Einen. Studien zur Metaphysik
und ihrer Geschichte.
In der Einleitung der letztgenannten „Studien“ spricht Halfwassen sein die
verschiedenen Arten von Metaphysik integrierendes Programm, gewissermaßen
seine philosophische Botschaft, aus. Wegen der Bedeutung sei sie hier etwas ge-
strafft zitiert: „Mit Platons Entdeckung der Transzendenz des Absoluten vollendet
sie (sc. die Einheitsmetaphysik) die Einsicht, mit der die Ursprungsmetaphysik bei
Anaximander anhebt, dass nämlich der Ursprung aus der Verneinung der Welt-

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