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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2020 — 2021

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B. Die Mitglieder
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II. Nachrufe
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Höffe, Otfried: Jens Halfwassen: (16. 11. 1958 − 14. 2. 2020)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61621#0124
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B. Die Mitglieder

Struktur gedacht werden muss. Die Ontologie mit ihrer kategorialen Ausdifferen-
zierung der Seinsformen ordnet sich ihr (sc. der Einheitsmetaphysik) in der Frage
nach der Einheit des Seins und dem einen Sinn von Sein unter. Und die Geist-
metaphysik, welche die Einheit des Seins aus der in einem unterscheidenden und
vereinigenden Selbstbeziehung des Geistes begreift, begründet eben diese Diffe-
renz-Einheit des Geistes wiederum in dessen ekstatischem Transzendenzbezug zu
dem Einen, Jenseits des Seins’ und Jenseits des Geistes’. Die Vollendungsgestalt
der Metaphysik ist so eine Geistmetaphysik, die in einer Metaphysik des Einen
fundiert ist.“
Jens Halfwassen scheute nicht die schöne, aber auch mit Mühen verbundene
Arbeit des (Mit-)Herausgebers. Von den sechs Sammelbändern seien zwei exem-
plarisch erwähnt. Im ersten Band tritt die bemerkenswerte Offenheit für ande-
re geistige Traditionen zutage: Platonismus im Orient und Okzident. Neuplatonische
Denkstrukturen im Judentum, Christentum und Islam (280 S., Heidelberg 2005) und
Philosophie und Religion (329 S., Heidelberg 2012). Von den Buchreihen und der
Zeitschrift, für die Jens Halfwassen mitverantwortlich war, verdient die Mither-
ausgeberschaft einer der renommiertesten deutschen Fachzeitschriften, der Philo-
sophischen Rundschau (seit 2007), besondere Anerkennung.
Dank einer bewundernswerten Produktivität kommen zu dieser schon ein-
drucksvollen Publikationstätigkeit mehr als 60 Beiträgen in Sammelbänden, knapp
30 Aufsätze, zahllose Lexikonartikel und zwei souveräne Zeitungsessays in der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung hinzu: „Platonischer Schiedsspruch im Monotheis-
musstreit“ und „Was ist Nationalkultur?“
Nach der im Jahr 2002 erfolgten Zustimmung der Akademie zu unserem
Zuwahlvorschlag ergaben sich zahlreiche Gelegenheiten zu intensiven philoso-
phischen Gesprächen. Uns verband, was die Gespräche nachhaltig beflügelte, ge-
meinsame Wertschätzungen mit unterschiedlichen Akzenten. Während wir beide
aus der Antike von Platon und Aristoteles stark beeinflusst waren, stand für Jens
Halfwassen Platon, für mich dagegen Aristoteles im Vordergrund. Und von Kant
und dem Deutschen Idealismus zog Jens Halfwassen Hegel, ich jedoch Kant vor.
Diese Verbindung von Gemeinsamkeit und Differenz bei gleichzeitiger gegensei-
tiger Wertschätzung erwies sich in unseren Gesprächen stets als hochanregend.
Neben seiner Gelehrsamkeit, die übrigens selbst das schon weite Feld der Phi-
losophie noch überschritt, beeindruckte mich ein universitätspolitisches Engage-
ment, das vehement die akademische Freiheit als ein vor allem persönliches, nicht
(bloß) institutionelles Grundrecht verteidigte. Dazu gehörte der kompromisslos
klare Einspruch gegen eine Kultusbürokratie, die den Bologna-Prozess, statt ihn
augenzwinkernd zu unterlaufen oder mit einem esprit de fliesse abzumildcrn, mit
deutscher Gründlichkeit zu einem „Akkreditierungswahn“ pervertierte.
Eine besondere Würdigung verdient das Engagement für die Philosophie Karl
Jaspers’. Wie erwähnt seit dem Jahr 2007 Mitglied im Stiftungsrat der Basler Jas-

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