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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2020 — 2021

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A. Das akademische Jahr 2020
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I. Wissenschaftliche Vorträge
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Berg, Manfred: Von Andrew Jackson zu Donald Trump: Zur Kontinuität des Populismus in der Geschichte der USA: Sitzung der Philosophisch-historischen Klasse am 24. Januar 2020
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https://doi.org/10.11588/diglit.61621#0019
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Manfred Berg

Manfred Berg
„Von Andrew Jackson zu Donald Trump: Zur Kontinuität des
Populismus in der Geschichte der USA"
Sitzung der Philosophisch-historischen Klasse am 24. Januar 2020
Populismus ist zur Sammelbezeichnung für Bewegungen geworden, die Politik
als Konflikt zwischen korrupten „Eliten“ und dem als homogen und moralisch
integer verstandenen „Volk“ inszenieren. Während Rechtspopulisten „Volk“ als
ethnokulturelle Gemeinschaft definieren, betonen Linkspopulisten die gemein-
samen sozioökonomischen Interessen der „einfachen Leute“. In den USA haben
beide Varianten des Populismus eine lange Tradition, die oft auf Präsident Andrew
Jackson (1829—1837) zurückgeführt wird. Auch Präsident Donald Trump hat sich
verschiedentlich auf das Erbe Jacksons berufen.
Während der Jacksonian Democracy verband sich der Glaube an die Integrität
und Weisheit des Volkes mit der Forderung nach umfassender Selbstregierung.
Das Volk bildete die egalitäre Gemeinschaft weißer Männer, die von ihrer Hän-
de Arbeit lebten und vor Kapitalisten und korrupten Politikern auf der Hut sein
mussten. Andrew Jackson inszenierte sich als Mann der Tat, der sich im Interes-
se des Volkes auch über das Recht hinwegsetzte. Während seiner Präsidentschaft
gingen die Ausweitung des Wahlrechts und wirtschaftliche Chancengleichheit für
weiße Männer einher mit der Expansion der Sklaverei und der Vertreibung der
Ureinwohner.
Die USA waren das erste Land, in dem sich die Anhänger einer politischen
Bewegung selbst als Populisten bezeichneten. Seit den I880ern schwoll die Un-
zufriedenheit der Farmer zu einer breiten Protestbewegung gegen die Eisenbahn-
gesellschaften, den Goldstandard und die Schutzzollpolitik an, die sie für die
Misere der US-Landwirtschaft verantwortlich machten. Die Populists galten lange
als rückwärtsgewandte Agrarromantiker, die neuere Geschichtsschreibung sieht
sie eher als fortschrittliche Bewegung, die den Kapitalismus zähmen wollte und
demokratische Reformen forderte. Allerdings scheiterte der Populismus des spä-
ten 19. Jahrhunderts nicht zuletzt am Rassismus der weißen Populisten.
Das Massenelend der Großen Depression schien den Verdacht der Populisten
zu bestätigen, dass sich profitgierige Kapitalisten auf Kosten des Volkes bereicher-
ten. Auch das als New Deal bezeichnete Reformprogramm von Präsident Frank-
lin D. Roosevelt vermochte die Krise nicht nachhaltig zu überwinden. Radikale
Kritiker versuchten, Roosevelt durch fantastische Umverteilungspläne zu über-
trumpfen, doch der charismatische Präsident beherrschte das neue Medium Radio
ebenso meisterlich wie die Rhetorik des Populismus.
Der Triumph im Zweiten Weltkrieg und der wirtschaftliche Boom der Nach-
kriegszeit schufen einen neuen Konsens über das demokratisch-kapitalistische

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