Jan Christian Gertz
parentes, selbsthinterfragendes und lernendes Verfahren“. Ich weiß nicht, ob sich
die Wissenschaft bisher auf ein solches Abenteuer eingelassen hat. Jedenfalls ist es
erfreulich, dass die deutschen Akademien (Union der Deutschen Akademien der
Wissenschaften, Acatech - Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, Leo-
poldina - Nationale Akademie der Wissenschaften) begonnen haben, sich zu einer
unabhängigen Stimme in diesem Prozess zu entwickeln.
Anstatt zahlreicher Zitate sei auf die instruktiven Ausführungen auf der Web-
site der Aufsichtsbehörde verwiesen: www.base.bund.de.
Jan Christian Gertz
„Ham und die Hamiten. Anmerkungen zu einer kulturgeschichtlich
bedeutsamen ethno-geographischen Klassifizierung in der biblischen
Urgeschichte"
Sitzung der Philosophisch-historischen Klasse am 17. Juli 2020
„A dass of men have gained the high reputation of attempting gravely to theorise themselves into the
right to oppress, and to hate and abuse their fellow man! ... Noah cursed his grand son Canaan, and
this dooms the black man to slavery, and constitutes the white man the slaveholder! Astounding!“
James WC. Pennington (1841)1
Rassismus ist ein zählebiges Phänomen in ganz unterschiedlichen Gesellschaften.
Dabei ist seit jeher das Bemühen zu beobachten, das Postulat unterschiedlicher
Grade des Menschseins mit moralischen, religiösen, biologischen oder kulturellen
Argumenten zu belegen. Dieses Bemühen hat selbst vor der Bibel nicht halt ge-
macht, deren Vorstellung von der einen gottebenbildlichen Menschheit eigentlich
mit jedweder rassistischen Ideologie unvereinbar sein sollte. Wichtigster Bezugs-
punkt für Versuche einer biblischen Begründung von Rassismus ist die Erzählung
von Noah und seinen Söhnen. Von ihr leitet sich auch der Mythos von „Harns
Fluch“ ab, ein in Amerika vor und nach dem Bürgerkrieg vielfach gebrauchtes,
vermeintlich biblisches Argument für die Rechtmäßigkeit der Sklaverei.
Nach biblischer Darstellung ist Ham neben Sem und Jafet einer der drei Söh-
ne Noahs und Stammväter der nachsintflutlichen Menschheit (Gen 5,32; 10,1.32).
Die insgesamt 17 biblischen Belege des Namens verteilen sich auf die kurz nach
dem Ende des babylonischen Exils entstandene Priesterschrift und davon lite-
rarisch abhängige Texte. Die Priesterschrift entfaltet ihr ethno-geographisches
System in der sogenannten Völkertafel (Gen 10*), die aus judäisch-palästinischer
Perspektive von den äußersten Rändern im Norden, Nordwesten und Nordosten
(Jafet), über den Süden (Ham) zur Mitte (Sem) fortschreitet. Als „Söhne Harns“
1 James W. C. Pennington, A Text Book of the Origin and History, etc. etc. of the Colored Peo-
ple, Harford 1841, 13 (Hervorhebung im Original).
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parentes, selbsthinterfragendes und lernendes Verfahren“. Ich weiß nicht, ob sich
die Wissenschaft bisher auf ein solches Abenteuer eingelassen hat. Jedenfalls ist es
erfreulich, dass die deutschen Akademien (Union der Deutschen Akademien der
Wissenschaften, Acatech - Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, Leo-
poldina - Nationale Akademie der Wissenschaften) begonnen haben, sich zu einer
unabhängigen Stimme in diesem Prozess zu entwickeln.
Anstatt zahlreicher Zitate sei auf die instruktiven Ausführungen auf der Web-
site der Aufsichtsbehörde verwiesen: www.base.bund.de.
Jan Christian Gertz
„Ham und die Hamiten. Anmerkungen zu einer kulturgeschichtlich
bedeutsamen ethno-geographischen Klassifizierung in der biblischen
Urgeschichte"
Sitzung der Philosophisch-historischen Klasse am 17. Juli 2020
„A dass of men have gained the high reputation of attempting gravely to theorise themselves into the
right to oppress, and to hate and abuse their fellow man! ... Noah cursed his grand son Canaan, and
this dooms the black man to slavery, and constitutes the white man the slaveholder! Astounding!“
James WC. Pennington (1841)1
Rassismus ist ein zählebiges Phänomen in ganz unterschiedlichen Gesellschaften.
Dabei ist seit jeher das Bemühen zu beobachten, das Postulat unterschiedlicher
Grade des Menschseins mit moralischen, religiösen, biologischen oder kulturellen
Argumenten zu belegen. Dieses Bemühen hat selbst vor der Bibel nicht halt ge-
macht, deren Vorstellung von der einen gottebenbildlichen Menschheit eigentlich
mit jedweder rassistischen Ideologie unvereinbar sein sollte. Wichtigster Bezugs-
punkt für Versuche einer biblischen Begründung von Rassismus ist die Erzählung
von Noah und seinen Söhnen. Von ihr leitet sich auch der Mythos von „Harns
Fluch“ ab, ein in Amerika vor und nach dem Bürgerkrieg vielfach gebrauchtes,
vermeintlich biblisches Argument für die Rechtmäßigkeit der Sklaverei.
Nach biblischer Darstellung ist Ham neben Sem und Jafet einer der drei Söh-
ne Noahs und Stammväter der nachsintflutlichen Menschheit (Gen 5,32; 10,1.32).
Die insgesamt 17 biblischen Belege des Namens verteilen sich auf die kurz nach
dem Ende des babylonischen Exils entstandene Priesterschrift und davon lite-
rarisch abhängige Texte. Die Priesterschrift entfaltet ihr ethno-geographisches
System in der sogenannten Völkertafel (Gen 10*), die aus judäisch-palästinischer
Perspektive von den äußersten Rändern im Norden, Nordwesten und Nordosten
(Jafet), über den Süden (Ham) zur Mitte (Sem) fortschreitet. Als „Söhne Harns“
1 James W. C. Pennington, A Text Book of the Origin and History, etc. etc. of the Colored Peo-
ple, Harford 1841, 13 (Hervorhebung im Original).
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