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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2020 — 2021

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2020
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I. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Artikel:
Wenzel, Friedemann: Die geologische Tiefenlagerung von radioaktiven Abfällen: Gesamtsitzung am 25. Januar 2020
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https://doi.org/10.11588/diglit.61621#0024
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I. Wissenschaftliche Vorträge

werksbetreiber mit 24 Mrd. Euro ausstatten mussten, geregelt. Die BGE hat am
28.09.2020 einen ersten Aufschlag für eine Einengung von in Frage kommenden
Standorten von 100 % der Fläche der Bundesrepublik auf 54 % vorgelegt, der zu-
nächst öffentlich diskutiert und aufsichtsrechtlich überprüft wird.
Eine entscheidende Säule der Tiefenlagerungskonzepte ist die Prognostizier-
barkeit der geologischen Verhältnisse auf lange Sicht (ca. eine Million Jahre). In
tektonisch ruhigen Regionen der Erde ist das möglich. Die zweite Säule sind Mul-
ti-Barrieren-Konzepte, die die Abfälle von der Biosphäre isolieren sollen. Dabei
kommen sowohl technische als auch geologische Barrieren zum Einsatz. Tech-
nische Barrieren sind die Verglasung der hochaktiven Abfälle, ihr Einschluss in
einen widerstandfähigen Behälter aus Stahl, Kupfer, Keramik etc. und die Einbet-
tung der Behälter in eine Verfüllung, meist aus quellfähigem Material wie Bentonit
bestehend, mit der unterirdische Stollen oder Kavernen verfüllt werden und die
die Ausbreitung von radioaktiven Stoffen reduzieren soll. Die geologische Barri-
ere besteht dann aus Gestein, in denen das Lager gebaut wird, das möglichst fest,
undurchlässig für advektiven Transport, zurückhaltend für Radionuklide und gut
wärmeleitend sein soll.
Auf dieses System der Barrieren wirken verschiedene Einflüsse auf verschie-
denen Zeitskalen: aus geologisch-klimatologischer Hinsicht mehrere Eiszeiten,
Erosions- und Hebungsprozesse über eine Million Jahre, seltene Erdbeben etc. Die
geologische Barriere wird durch den Bau des Lagers beeinträchtigt, da ein Tunnel
stets mit einer Auflockerungszone verbunden ist. Die Behälter und die Stützmit-
tel für den Tunnelbau können korrodieren, Gas entwickeln und zu Druckerhö-
hungen führen. Die Einlagerung wärmeentwickelnder Abfälle heizt das Gestein
auf und kann thermische Risse erzeugen. Die Tunnelverfüllung kann sich durch
Erwärmung und Aufsättigung chemisch verändern. Hinzu kommt die Wirkung
von Mikroorganismen, die wiederum von der Umgebungschemie abhängt. Die
Entwicklung von Prognose-Modellen, die solche komplexen Wechselwirkungen
über lange Zeiträume abbilden und die soweit wie möglich experimentell validiert
sind, stellt eine erhebliche Herausforderung dar. In der internationalen Forschung
der vergangenen 30 Jahre sind vermutlich alle für die Sicherheit relevanten Fragen
identifiziert und adressiert und auch erhebliche Fortschritte erzielt worden. Die
Notwendigkeit der Suche nach besseren Lösungen bleibt dennoch bestehen.
Die eigentliche Herausforderung der Tiefenlagerung ist aber nicht vorrangig
natur- bzw. ingenieurwissenschaftlicher Art. Die Tiefenlagerung stellt vielmehr
einen komplexen sozio-technischen Prozess dar, der sich über mehrere Generati-
onen erstreckt, in dessen Verlauf sich der Stand der Wissenschaft und die Einstel-
lung der Gesellschaft ändern werden und bei dem die Entwicklung von Vertrauen
in die institutionellen wie auch wissenschaftlichen Beteiligten unabdingbar ist.
Daher definiert das Standortauswahlgesetz die Suche nach einem Standort mit
„bestmöglicher Sicherheit“ als ein „partizipatives, wissenschaftsbasiertes, trans-

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