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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2020 — 2021

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2020
DOI Kapitel:
I. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Artikel:
Wenzel, Friedemann: Die geologische Tiefenlagerung von radioaktiven Abfällen: Gesamtsitzung am 25. Januar 2020
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61621#0023
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Friedemann Wenzel

Die Nachweiszeiträume sind sehr konservativ gewählt, ebenso wie die maximal
zulässigen Dosen, gemessen in Milli-Sievert (mSv) pro Jahr, mit denen die Wirkung
auf den Menschen gemessen wird, die aus dem Lager in die Biosphäre gelangen
dürfen. Sie sind in verschiedenen Ländern unterschiedlich hoch, in der Schweiz
0,1 mSv/Jahr in Deutschland 0.01 mSvJahr. Zum Vergleich ist die mittlere radioak-
tive Belastung durch natürliche Ursachen in Deutschland 2,1 mSv/Jahr und durch
medizinische Anwendungen 1,8 mSv/Jahr, zusammen also ca. 4 mSv/Jahr.
Aus der Länge der Nachweiszeiträume ergibt sich die Notwendigkeit, die Ab-
fälle in geologischen Tiefenlagern zu entsorgen. Es ist unmöglich, die Entwicklung
der menschlichen Gesellschaft inklusive ihrer Technologien über tausende von
Jahren und mehr zu prognostizieren. Es ist aber möglich, geologische Entwicklun-
gen, je nach Region, über solche Zeiträume realistisch zu prognostizieren. Das ist
der Grundgedanke der Tiefenlagerung.
Man könnte mit entsprechendem Optimismus annehmen, dass es in den
kommenden Jahrzehnten oder Jahrhunderten zu technischen Entwicklungen
kommt, die eine lange Lagerung vermeiden, z. B. durch Umwandlung der lang-
lebigen Nuklide in kurzlebige. Diese könnten eventuell oberflächennah gelagert
oder anders genutzt werden. Das ist das Ziel der Transmutationsforschung, die
sich zurzeit auf dem Schritt von der Laborphase zur großtechnischen Erprobung
befindet. Ob und wann ein sicherer technischer Einsatz möglich sein wird und ob
tatsächlich die Gesamtheit zumindest des langlebigen Abfalls transmutiert wer-
den kann, ist strittig. In der BRD ist eine weitere Verwendung radioaktiver Abfälle
ohnehin untersagt. Viele Länder nutzen die Wiederaufarbeitung aus verbrauchten
Brennelementen, um die Abfallmenge zu reduzieren. Auch dieser Weg ist in der
BRD seit 2005 gesetzlich untersagt.
Dem Zuwarten auf neue technische Möglichkeiten steht das ethisch moti-
vierte Prinzip entgegen, dass die Generation, die für die Entstehung der Abfälle
verantwortlich zeichnet, auch deren Entsorgung betreiben muss. Allerdings wird
der Prozess der Entsorgung mit den jetzigen Konzepten mehrere Generationen
beschäftigen. Dass es zur Tiefenlagerung zurzeit keine realistische Alternative gibt,
äußert sich darin, dass alle Nationen diesen Weg verfolgen unabhängig davon, ob
sie die Kernenergie weiterhin nutzen wollen (China, Russland), ob sie schnell
(BRD) oder langsam aussteigen wollen (Schweiz, Schweden, Japan).
Die BRD verfügt mit der Grube Konrad über einen genehmigten Standort
zur Einlagerung schwach-radioaktiven Materials, wo voraussichtlich 2027 mit der
Einlagerung begonnen werden kann. Das Standortauswahlgesetz von 2017 regelt
- in breitem gesellschaftlichem Konsens - den Prozess der Suche nach einem Tie-
fenlager für hochaktiven Abfall, der bis 2031 abgeschlossen sein soll. Eine Bun-
desgesellschaft für Endlagerung (BGE) ist dabei Vorhabenträgerin, ein Bundesamt
für die Sicherheit der Nuklearen Entsorgung (BASE) führt die Aufsicht und die
Finanzierung ist über einen öffentlich-rechtlichen Fond, den die Nuklearkraft-

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