Antrittsrede von Dorothea Wagner
Das seinerzeit noch neue Fach Informatik wählte ich spontan, vielleicht so-
gar eher aus Verlegenheit, als Nebenfach - ich hatte anfangs noch wenig Ahnung,
worum es dabei eigentlich ging. Doch gefielen mir in meinem Studium diejenigen
Teilgebiete der Informatik, welche die mathematischen und theoretischen Grund-
lagen des Faches darstellen, also Logik, diskrete Strukturen und Algorithmen, von
Anfang an am besten, insbesondere die Graphenalgorithmen hatten es mir bereits
damals angetan. Der Start ins Studium war allerdings ein kleiner Schock - nach
den ersten Monaten, etwa um Weihnachten, musste ich mir eingestehen, dass ich
in fast allen Fächern kaum mehr etwas gleich verstand. Dies hatte wohl vor allem
damit zu tun, dass meine mathematische Vorbildung aus dem Gymnasium, einer
kirchlich geführten neusprachlichen Mädchenschule, nur schwach ausgeprägt war
- der Mathematik, aber auch vielen Naturwissenschaften, wurde in diesem Schul-
typ seinerzeit leider recht wenig Beachtung geschenkt.
Im weiteren Verlauf des Studiums kam ich dann allerdings immer besser zu-
recht, auch weil ich zu etlichen Vorlesungen als studentische Hilfskraft Tutorien
übernahm und dadurch den Stoff wiederholte und vertiefte. Die Ermunterung,
nach dem Studium eine Promotion anzustreben, verdanke ich dem Nestor der
Aachener Informatik, Walter Oberschelp, der mich an meinen späteren Doktor-
vater und Mentor Rolf Möhring vermittelte. 1986 schloss ich die Promotion in
Mathematik an der RWTH Aachen mit einem Thema über diskrete Strukturen
und Zerlegungen von Graphen ab. Es folgte 1992 die noch deutlicher in Richtung
Informatik zielende Habilitation im Fach Mathematik an der TU Berlin.
Nach einer Vertretungsprofessur an der Martin-Luther-Universität in Halle
folgte ich 1994 einem Ruf der Universität Konstanz auf eine C4-Professur für
Praktische Informatik - für mich als noch junge Wissenschaftlerin eine Herausfor-
derung, aber auch ein Glücksfall, denn es ging damals um den Aufbau des Faches
Informatik, zunächst innerhalb des Fachbereichs Mathematik und als Neben-
fachstudiengang. Sehr schnell wurde allerdings mehr daraus, ein eigenständiger
Fachbereich mit einem eigenen Studiengang. Neun Jahre später, 2003, wechselte
ich schließlich an die Universität Karlsruhe, heute KIT, wo ich in einer deutlich
größeren Informatikfakultät einer traditionell technischen Hochschule ein hervor-
ragendes Umfeld für meine Forschung fand.
In den 1990er-Jahren, der Zeit, in der sich meine Forschungsthemen immer
stärker in die Informatik verlagerten, war der Entwurfhochintegrierter Schaltkrei-
se, das sogenannte VLSI-Design, ein bedeutendes und sehr „trendiges” Gebiet der
Informatik. Anfangs noch ohne Anwenderkontakt beschäftigte ich mich innerhalb
dieses Gebiets mit automatisierten Layout-Verfahren für hochintegrierte Halb-
leiterchips. Diese Algorithmen wurden von uns auch praktisch implementiert -
einfach um die Layouts, die unsere Algorithmen konstruieren, tatsächlich auch
ansehen und studieren zu können. Aus heutiger Sicht waren dies die Anfänge des
Algorithm Engineering, das als Methodik eine Brücke von der Algorithmentheorie
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Das seinerzeit noch neue Fach Informatik wählte ich spontan, vielleicht so-
gar eher aus Verlegenheit, als Nebenfach - ich hatte anfangs noch wenig Ahnung,
worum es dabei eigentlich ging. Doch gefielen mir in meinem Studium diejenigen
Teilgebiete der Informatik, welche die mathematischen und theoretischen Grund-
lagen des Faches darstellen, also Logik, diskrete Strukturen und Algorithmen, von
Anfang an am besten, insbesondere die Graphenalgorithmen hatten es mir bereits
damals angetan. Der Start ins Studium war allerdings ein kleiner Schock - nach
den ersten Monaten, etwa um Weihnachten, musste ich mir eingestehen, dass ich
in fast allen Fächern kaum mehr etwas gleich verstand. Dies hatte wohl vor allem
damit zu tun, dass meine mathematische Vorbildung aus dem Gymnasium, einer
kirchlich geführten neusprachlichen Mädchenschule, nur schwach ausgeprägt war
- der Mathematik, aber auch vielen Naturwissenschaften, wurde in diesem Schul-
typ seinerzeit leider recht wenig Beachtung geschenkt.
Im weiteren Verlauf des Studiums kam ich dann allerdings immer besser zu-
recht, auch weil ich zu etlichen Vorlesungen als studentische Hilfskraft Tutorien
übernahm und dadurch den Stoff wiederholte und vertiefte. Die Ermunterung,
nach dem Studium eine Promotion anzustreben, verdanke ich dem Nestor der
Aachener Informatik, Walter Oberschelp, der mich an meinen späteren Doktor-
vater und Mentor Rolf Möhring vermittelte. 1986 schloss ich die Promotion in
Mathematik an der RWTH Aachen mit einem Thema über diskrete Strukturen
und Zerlegungen von Graphen ab. Es folgte 1992 die noch deutlicher in Richtung
Informatik zielende Habilitation im Fach Mathematik an der TU Berlin.
Nach einer Vertretungsprofessur an der Martin-Luther-Universität in Halle
folgte ich 1994 einem Ruf der Universität Konstanz auf eine C4-Professur für
Praktische Informatik - für mich als noch junge Wissenschaftlerin eine Herausfor-
derung, aber auch ein Glücksfall, denn es ging damals um den Aufbau des Faches
Informatik, zunächst innerhalb des Fachbereichs Mathematik und als Neben-
fachstudiengang. Sehr schnell wurde allerdings mehr daraus, ein eigenständiger
Fachbereich mit einem eigenen Studiengang. Neun Jahre später, 2003, wechselte
ich schließlich an die Universität Karlsruhe, heute KIT, wo ich in einer deutlich
größeren Informatikfakultät einer traditionell technischen Hochschule ein hervor-
ragendes Umfeld für meine Forschung fand.
In den 1990er-Jahren, der Zeit, in der sich meine Forschungsthemen immer
stärker in die Informatik verlagerten, war der Entwurfhochintegrierter Schaltkrei-
se, das sogenannte VLSI-Design, ein bedeutendes und sehr „trendiges” Gebiet der
Informatik. Anfangs noch ohne Anwenderkontakt beschäftigte ich mich innerhalb
dieses Gebiets mit automatisierten Layout-Verfahren für hochintegrierte Halb-
leiterchips. Diese Algorithmen wurden von uns auch praktisch implementiert -
einfach um die Layouts, die unsere Algorithmen konstruieren, tatsächlich auch
ansehen und studieren zu können. Aus heutiger Sicht waren dies die Anfänge des
Algorithm Engineering, das als Methodik eine Brücke von der Algorithmentheorie
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