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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2022 — 2023

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B. Die Mitglieder
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Höfele, Andreas: Hans-Joachim Zimmermann (05.12.1933 – 17.02.2022)
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https://doi.org/10.11588/diglit.67410#0216
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B. Die Mitglieder

der selbst seine Gegner - es waren nicht wenige - Respekt zollten. Als Prorektor
war er zugleich auch mit den weniger spektakulären, jedoch mindestens ebenso
weitreichenden Problemen befasst, die sich aus den steil ansteigenden Studenten-
zahlen ergaben - und aus der (im sog. „Offnungsbeschluss“ von 1977 festgeschrie-
benen) Weigerung der Politik, auf diese mit angemessenen Budget- und Personal-
erhöhungen zu reagieren. Die Überlastung der Hochschulen, die sich laut einer
demografischen (Fehl-)Prognose binnen zehn Jahren von selbst erledigen würde,
wurde als Dauerzustand institutionalisiert.
Kein Klima für Zartbesaitete, und mancher, dem sich 1972 die Chance zum
Wechsel an einen ruhigeren Arbeitsplatz bot, hätte diese Chance sicherlich genutzt.
Zimmermann hatte einen Ruf nach Wien, blieb aber in Heidelberg und übernahm
das „dornige Amt“. Zweifellos lag ihm die Tätigkeit in der Universitätsleitung,
und auch in den mit ihr verbundenen Kontroversen war er durchaus in seinem
Element. Doch zur „bloßen Administration“ zog es ihn nie. Zu groß war die Lei-
denschaft für sein eigentliches, wissenschaftliches Metier. Aus ihr speiste sich sein
administratives und hochschulpolitisches Engagement. Dessen Leitbild war die
Universität, wie er selbst sie als Student erlebt hatte, für je ein Jahr in München
und Bristol, vor allem aber an der FU Berlin ab Mitte der fünfziger Jahre. An der
noch vom „Gründungselan“ beflügelten Freien Universität habe er einen „Geist
des Miteinanders und der gemeinsamen Verantwortung“ kennengelernt, „eine un-
dogmatische Freiheit des gemeinsamen Fragens und Forschens.“ (Interview, RNZ
20.7.1998) Bedeutende Lehrer wie Bogislav von Lindheim, Rudolf Sühnel, Hel-
mut de Boor und Richard Alewyn (Berlin), Levin Schücking, Wolfgang Clemen,
Hugo Kuhn und Hermann Kunisch (München) sowie L.C. Knights (Bristol) hin-
terließen prägende Eindrücke.
Die akademische Laufbahn war Zimmermann beileibe nicht in die Wiege
gelegt. Als Spross „einer völlig unakademischen Familie“ wuchs er in Berlin-
Kreuzberg auf Seine Einschulung fiel mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs
zusammen. Als die Bombenangriffe zunahmen, wurde er nach West-, dann
Ostpreußen und schließlich nach Sachsen evakuiert. Nach der Rückkehr ins
zerstörte Berlin besuchte er ab 1947 die mathematisch-naturwissenschaftliche
Robert-Koch-Oberschule in Kreuzberg, an der er 1954 das Abitur ablegte. Er habe
einen kaufmännischen Beruf ergreifen wollen, „da mein Vater und ich fanden,
daß ich meinen Bildungstrieb nun lange genug auf seine Kosten befriedigt hätte.“
„Ein überraschend gewährtes Stipendium der Studienstiftung“ setzte ihn „in letz-
ter Minute“ dann doch noch „auf das akademische Gleis“. Sein im Gymnasium
gewecktes Interesse für die Naturwissenschaften war groß und blieb zeitlebens
erhalten. Trotzdem entschied er sich für ein Studium der Germanistik und Ang-
listik, das er 1960 mit dem Staatsexamen abschloss. Als der Anglist Rudolf Sühnel
1960 von Berlin nach Heidelberg wechselte, holte er Zimmermann als Assistenten
an seinen Lehrstuhl.

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