Nachruf auf Hans-Joachim Zimmermann
Von Sühnel kam auch die Anregung für das Thema der Dissertation: Alexander
Popes Noten zu Homer: Eine Manuskript- und Quellenstudie. Die Anmerkungen, Notes,
mit denen Pope, der führende englische Dichter seiner Zeit, seine epochemachen-
den Übersetzungen der Ilias und Odyssee erläutert, kommentiert, rechtfertigt und
zu der vielstimmigen Tradition der Homer-Kommentare von der Antike bis zu
Popes Zeitgenossen in Beziehung setzt, sind ein besonders bedeutendes, zugleich
auch besonders komplexes Beispiel humanistischer Antike-Rezeption im frühen
18. Jahrhundert. Popes Noten - zuweilen weitläufige Exkurse - haben ein zweifa-
ches Ziel: Einerseits verteidigen sie Homer gegen den zeitgenössischen klassizis-
tischen Kunstgeschmack, andererseits die von eben diesem Geschmack geprägte
Pope’sche Übersetzung gegen den Vorwurf, dass sie Homer verfälsche. Allein an
der Ilias laborierte der Dichter-Übersetzer fünf Jahre lang. Dem fertigen Text ist
von seinen Mühen nichts anzumerken. Bezeugt sind sie in den Dokumenten des
Entstehungsprozesses, die Zimmermann akribisch erschließt und analysiert. Der
dazu nötige Arbeitsaufwand ist gewaltig. Anfangs habe er sich „wie Alexander Po-
pe“ gewünscht, „daß man mich lieber hängen sollte, ehe ich mich durch das Ge-
strüpp von Handschriften, Korrespondenzen, Quellen und kritischen Meinungen
durchkämpfte.“ Doch lässt Zimmermann keinen Zweifel daran, dass in ebendie-
sem Bemühen für ihn die eigentliche Bestimmung philologischen Forschens liege:
Er sei „ein Philologe, der nah an den Quellen arbeitet“ und den die „heutzutage
[1978] grassierende Theoriediskussion aus zweiter Hand über Werke der Kunst an
das Zirpen der greisen Trojaner auf dem skäischen Tor [erinnere], als sie die schö-
ne Helena erblickten.“ Die schöne Helena der Philologie - das sind für Zimmer-
mann die (seinerzeit noch un-digitalisierten) „Schätze der großen Bibliotheken in
London, Oxford, Cambridge und Paris“, in denen ihm die Entdeckung zahlreicher
bislang unbekannter Quellen gelang. Seine Methodik hat dabei durchaus etwas
von naturwissenschaftlicher Feldforschung; auf fachlich näherliegende Vorbilder
hat Zimmermann selbst verwiesen: die ,ncu‘-bibliografische Arbeitsweise seines
Tutors Geoffrey Tillotson und die europäische Kulturgeschichte, wie er sie am
Londoner Warburg Institute kennenlernte.
Die an diesen Vorbildern orientierte Kombination von akribischer Detailarbeit
mit der Erschließung weitreichender kulturhistorischer Zusammenhänge kenn-
zeichnet auch Zimmermanns zweites opus magnum: Der akademische Affe. Geschichte
einer Allegorie aus Cesare Ripas „Iconologia“ (1991). Ungewöhnlich wie der (nur auf
den ersten Blick) frivole Gegenstand, dessen verzweigtes Fortleben der Verfasser
über Gattungs-, Epochen- und Ländergrenzen hinweg mit stupender Gelehrsam-
keit verfolgt, ist die Widmung des Buches: Sie gilt dem Gedenken an die Old North
Library, den berühmten Lesesaal des British Museum, eine jener ,Schatzkammern4,
in denen der Philologe Zimmermann mit Vorliebe und Ausdauer seinen Studien
nachging.
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Von Sühnel kam auch die Anregung für das Thema der Dissertation: Alexander
Popes Noten zu Homer: Eine Manuskript- und Quellenstudie. Die Anmerkungen, Notes,
mit denen Pope, der führende englische Dichter seiner Zeit, seine epochemachen-
den Übersetzungen der Ilias und Odyssee erläutert, kommentiert, rechtfertigt und
zu der vielstimmigen Tradition der Homer-Kommentare von der Antike bis zu
Popes Zeitgenossen in Beziehung setzt, sind ein besonders bedeutendes, zugleich
auch besonders komplexes Beispiel humanistischer Antike-Rezeption im frühen
18. Jahrhundert. Popes Noten - zuweilen weitläufige Exkurse - haben ein zweifa-
ches Ziel: Einerseits verteidigen sie Homer gegen den zeitgenössischen klassizis-
tischen Kunstgeschmack, andererseits die von eben diesem Geschmack geprägte
Pope’sche Übersetzung gegen den Vorwurf, dass sie Homer verfälsche. Allein an
der Ilias laborierte der Dichter-Übersetzer fünf Jahre lang. Dem fertigen Text ist
von seinen Mühen nichts anzumerken. Bezeugt sind sie in den Dokumenten des
Entstehungsprozesses, die Zimmermann akribisch erschließt und analysiert. Der
dazu nötige Arbeitsaufwand ist gewaltig. Anfangs habe er sich „wie Alexander Po-
pe“ gewünscht, „daß man mich lieber hängen sollte, ehe ich mich durch das Ge-
strüpp von Handschriften, Korrespondenzen, Quellen und kritischen Meinungen
durchkämpfte.“ Doch lässt Zimmermann keinen Zweifel daran, dass in ebendie-
sem Bemühen für ihn die eigentliche Bestimmung philologischen Forschens liege:
Er sei „ein Philologe, der nah an den Quellen arbeitet“ und den die „heutzutage
[1978] grassierende Theoriediskussion aus zweiter Hand über Werke der Kunst an
das Zirpen der greisen Trojaner auf dem skäischen Tor [erinnere], als sie die schö-
ne Helena erblickten.“ Die schöne Helena der Philologie - das sind für Zimmer-
mann die (seinerzeit noch un-digitalisierten) „Schätze der großen Bibliotheken in
London, Oxford, Cambridge und Paris“, in denen ihm die Entdeckung zahlreicher
bislang unbekannter Quellen gelang. Seine Methodik hat dabei durchaus etwas
von naturwissenschaftlicher Feldforschung; auf fachlich näherliegende Vorbilder
hat Zimmermann selbst verwiesen: die ,ncu‘-bibliografische Arbeitsweise seines
Tutors Geoffrey Tillotson und die europäische Kulturgeschichte, wie er sie am
Londoner Warburg Institute kennenlernte.
Die an diesen Vorbildern orientierte Kombination von akribischer Detailarbeit
mit der Erschließung weitreichender kulturhistorischer Zusammenhänge kenn-
zeichnet auch Zimmermanns zweites opus magnum: Der akademische Affe. Geschichte
einer Allegorie aus Cesare Ripas „Iconologia“ (1991). Ungewöhnlich wie der (nur auf
den ersten Blick) frivole Gegenstand, dessen verzweigtes Fortleben der Verfasser
über Gattungs-, Epochen- und Ländergrenzen hinweg mit stupender Gelehrsam-
keit verfolgt, ist die Widmung des Buches: Sie gilt dem Gedenken an die Old North
Library, den berühmten Lesesaal des British Museum, eine jener ,Schatzkammern4,
in denen der Philologe Zimmermann mit Vorliebe und Ausdauer seinen Studien
nachging.
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