Zwischen Tempel und Tierfriedhof: altägyptische Krokodilgötter-Kulte
Mitarbeitervortragsreihe
„Wir forschen. Für Sie"
Bei dieser Veranstaltungsreihc kommen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Heidelberger Akademie sowie anderer deutscher Wissenschaftsakademien zu
Wort. Die Vorträge richten sich an ein breites Publikum, um Einblicke in die For-
schungsarbeiten zu geben.
„Zwischen Tempel und Tierfriedhof:
altägyptische Krokodilgötter-Kulte"
Mitarbeitervortrag von Prof. Dr. Holger Kockeimann am 1. Juni 2022
Der Vortrag bot Einblick in die Habilitationsschrift des Referenten, die er parallel
zu seiner Anstellung als Mitarbeiter im HAdW-Projekt „Der Tempel als Kanon der
religiösen Literatur Ägyptens“ (Arbeitsstelle Tübingen) verfasst hat und die sich
ebenfalls mit dem Thema ägyptische Tempel, Theologie und Götterkult beschäf-
tigt. Unter dem Titel „Der Herr der Seen, Sümpfe und Flussläufe“ untersucht
sie das Wesen des Gottes Sobek (Abb. 1) und anderer, mit ihm in engem Zusam-
menhang stehender Krokodilgötter über die gesamte Beleggeschichte hinweg. Die
Studie geht ebenso der Frage nach, wie Theologie und Kultrealität an den Tempeln
der Krokodilgötter miteinander Zusammenhängen.
Sobek, oder in seiner griechischen Namensform „Suchos“, zählt zweifels-
frei zu den am längsten bezeugten Gottheiten des ägyptischen Pantheon. Seine
Verkörperung ist das bis zu sechs Meter lange Nilkrokodil, das einstmals wohl
typischste Tier Ägyptens. In den frühesten religiösen Textquellen, den Pyramiden-
texten, steht die Bindung des Sobek an das Wasser, seine Fruchtbarkeit und seine
räuberische Wildheit ganz im Vordergrund und damit seine krokodilische Natur.
Diese sollte bis in späteste Zeit das Wesen des Gottes bestimmen; für keine andere
tiergestaltige Gottheit Ägyptens gibt es auch nur annähernd so viele „zoologische“
Epitheta wie für Sobek, die sich auf die Biologie des Nilkrokodils beziehen.
Sobek- und Krokodilgötter-Kulte waren in ganz Ägypten verbreitet, zumin-
dest in allen Landesteilen, die der Nil mit seinen Nebenarmen und Kanälen er-
reichte und in denen Krokodile endemisch waren. Besonders bedeutende, alte
Kultregionen sind neben Kom Ombo das Gebiet zwischen Theben und Armant,
in dem der wichtige Kultort Sumenu lag, sowie das Fayum, wie bereits Herodot
im fünften vorchristlichen Jahrhundert bemerkt. In den Siedlungen des Fayum
(vgl. Abb. 2) rund hundert Kilometer südwestlich von Kairo bestanden oft Kulte
mehrerer Krokodilgötter nebeneinander.
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Mitarbeitervortragsreihe
„Wir forschen. Für Sie"
Bei dieser Veranstaltungsreihc kommen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Heidelberger Akademie sowie anderer deutscher Wissenschaftsakademien zu
Wort. Die Vorträge richten sich an ein breites Publikum, um Einblicke in die For-
schungsarbeiten zu geben.
„Zwischen Tempel und Tierfriedhof:
altägyptische Krokodilgötter-Kulte"
Mitarbeitervortrag von Prof. Dr. Holger Kockeimann am 1. Juni 2022
Der Vortrag bot Einblick in die Habilitationsschrift des Referenten, die er parallel
zu seiner Anstellung als Mitarbeiter im HAdW-Projekt „Der Tempel als Kanon der
religiösen Literatur Ägyptens“ (Arbeitsstelle Tübingen) verfasst hat und die sich
ebenfalls mit dem Thema ägyptische Tempel, Theologie und Götterkult beschäf-
tigt. Unter dem Titel „Der Herr der Seen, Sümpfe und Flussläufe“ untersucht
sie das Wesen des Gottes Sobek (Abb. 1) und anderer, mit ihm in engem Zusam-
menhang stehender Krokodilgötter über die gesamte Beleggeschichte hinweg. Die
Studie geht ebenso der Frage nach, wie Theologie und Kultrealität an den Tempeln
der Krokodilgötter miteinander Zusammenhängen.
Sobek, oder in seiner griechischen Namensform „Suchos“, zählt zweifels-
frei zu den am längsten bezeugten Gottheiten des ägyptischen Pantheon. Seine
Verkörperung ist das bis zu sechs Meter lange Nilkrokodil, das einstmals wohl
typischste Tier Ägyptens. In den frühesten religiösen Textquellen, den Pyramiden-
texten, steht die Bindung des Sobek an das Wasser, seine Fruchtbarkeit und seine
räuberische Wildheit ganz im Vordergrund und damit seine krokodilische Natur.
Diese sollte bis in späteste Zeit das Wesen des Gottes bestimmen; für keine andere
tiergestaltige Gottheit Ägyptens gibt es auch nur annähernd so viele „zoologische“
Epitheta wie für Sobek, die sich auf die Biologie des Nilkrokodils beziehen.
Sobek- und Krokodilgötter-Kulte waren in ganz Ägypten verbreitet, zumin-
dest in allen Landesteilen, die der Nil mit seinen Nebenarmen und Kanälen er-
reichte und in denen Krokodile endemisch waren. Besonders bedeutende, alte
Kultregionen sind neben Kom Ombo das Gebiet zwischen Theben und Armant,
in dem der wichtige Kultort Sumenu lag, sowie das Fayum, wie bereits Herodot
im fünften vorchristlichen Jahrhundert bemerkt. In den Siedlungen des Fayum
(vgl. Abb. 2) rund hundert Kilometer südwestlich von Kairo bestanden oft Kulte
mehrerer Krokodilgötter nebeneinander.
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