III. Veranstaltungen
Und 3.: Erst das soziomorphe Bewusstsein erlaubt es dem Menschen in vol-
ler Gewissheit ganz bei sich selbst und dabei so frei zu sein, so dass er sich in dieser
Freiheit auf die Person eines Mitmenschen als einen ursprünglich mit ihm verbun-
denen Teil der Menschheit begreifen kann. Nur darin liegt ein singuläres Alleinstellungs-
merkmal des Menschen!
Hier geht es nicht allein darum, dass sich jeder Einzelne der menschlichen
Gattung bloß zurechnen kann: Entscheidend ist, dass er sich dabei seiner Spezies
auch innerlich verbunden wissen kann. Und das erlaubt es dem Einzelnen mit Kant
von der „Menschheit in seiner Person“ zu sprechen! So kann sich der Mensch aus eige-
nem Anspruch für die Menschheit als ganze verantwortlich sehen.
Ich kann nicht belegen, dass Jaspers diese Konsequenz direkt aus seiner Glei-
chung zwischen Erkenntnis und Mitteilung abgeleitet hat.21 Aber er ist ihr praktisch
in seinem Philosophieren gefolgt und hat damit ein Beispiel für ein Philosophieren im
Geist der Menschheit gegeben.
Auch deshalb beglückt mich die Auszeichnung durch den Karl-Jaspers-
Preis.
The ,Future of the Past': Why Classical Studies Still Matter
Gemeinsame internationale Tagung der Akademie von Athen und
der Heidelberger Akademie der Wissenschaften in Athen vom 23. bis
25. November 2022
„Wenn eine fremde, längst vergangene Kulturwelt als mehr oder minder kanonisch
gilt, muß sich dagegen auch eine Opposition richten, um so lebhafter, je mehr
Selbstgefühl die Gegenwart hat. Das hat auch das sogenannte klassische Altertum
mehr als einmal erfahren.“ Die Feststellung des klassischen Philologen Ulrich
von Wilamowitz-Moellendorff, die er seinem Rückblick auf die Geschichte der
klassischen Studien im Jahr 1921 voranstellt (in: Kleine Schriften. Bd. VI, Berlin
1972, S. 144), hat in den letzten Jahren ständig an Bedeutung gewonnen. Dass die
Beschäftigung mit den Autoren der griechisch-römischen Antike regelmäßig in
Frage gestellt wurde und in Frage gestellt wird, hängt sicherlich damit zusammen,
dass im Gegensatz zu anderen altertumswissenschaftlichen Disziplinen Griechisch
und Latein eine besondere Geltung im gymnasialen Unterricht zukam und bei-
de Disziplinen deshalb unter bildungspolitischen Gesichtspunkten immer unter
einem Rechtfertigungsdruck standen. Manfred Fuhrmann (1925-2005), Mitglied
unserer Akademie, reagierte in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in
21 In seiner so umfangreichen wie eindringenden Darstellung der Philosophie Kants behandelt
Jaspers die Selbstzweck-Formel im Zusammenhang der Rede von der „Menschheit in der
Person des Menschen“ Jaspers, Die großen Philosophen, München 1957, 520).
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Und 3.: Erst das soziomorphe Bewusstsein erlaubt es dem Menschen in vol-
ler Gewissheit ganz bei sich selbst und dabei so frei zu sein, so dass er sich in dieser
Freiheit auf die Person eines Mitmenschen als einen ursprünglich mit ihm verbun-
denen Teil der Menschheit begreifen kann. Nur darin liegt ein singuläres Alleinstellungs-
merkmal des Menschen!
Hier geht es nicht allein darum, dass sich jeder Einzelne der menschlichen
Gattung bloß zurechnen kann: Entscheidend ist, dass er sich dabei seiner Spezies
auch innerlich verbunden wissen kann. Und das erlaubt es dem Einzelnen mit Kant
von der „Menschheit in seiner Person“ zu sprechen! So kann sich der Mensch aus eige-
nem Anspruch für die Menschheit als ganze verantwortlich sehen.
Ich kann nicht belegen, dass Jaspers diese Konsequenz direkt aus seiner Glei-
chung zwischen Erkenntnis und Mitteilung abgeleitet hat.21 Aber er ist ihr praktisch
in seinem Philosophieren gefolgt und hat damit ein Beispiel für ein Philosophieren im
Geist der Menschheit gegeben.
Auch deshalb beglückt mich die Auszeichnung durch den Karl-Jaspers-
Preis.
The ,Future of the Past': Why Classical Studies Still Matter
Gemeinsame internationale Tagung der Akademie von Athen und
der Heidelberger Akademie der Wissenschaften in Athen vom 23. bis
25. November 2022
„Wenn eine fremde, längst vergangene Kulturwelt als mehr oder minder kanonisch
gilt, muß sich dagegen auch eine Opposition richten, um so lebhafter, je mehr
Selbstgefühl die Gegenwart hat. Das hat auch das sogenannte klassische Altertum
mehr als einmal erfahren.“ Die Feststellung des klassischen Philologen Ulrich
von Wilamowitz-Moellendorff, die er seinem Rückblick auf die Geschichte der
klassischen Studien im Jahr 1921 voranstellt (in: Kleine Schriften. Bd. VI, Berlin
1972, S. 144), hat in den letzten Jahren ständig an Bedeutung gewonnen. Dass die
Beschäftigung mit den Autoren der griechisch-römischen Antike regelmäßig in
Frage gestellt wurde und in Frage gestellt wird, hängt sicherlich damit zusammen,
dass im Gegensatz zu anderen altertumswissenschaftlichen Disziplinen Griechisch
und Latein eine besondere Geltung im gymnasialen Unterricht zukam und bei-
de Disziplinen deshalb unter bildungspolitischen Gesichtspunkten immer unter
einem Rechtfertigungsdruck standen. Manfred Fuhrmann (1925-2005), Mitglied
unserer Akademie, reagierte in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in
21 In seiner so umfangreichen wie eindringenden Darstellung der Philosophie Kants behandelt
Jaspers die Selbstzweck-Formel im Zusammenhang der Rede von der „Menschheit in der
Person des Menschen“ Jaspers, Die großen Philosophen, München 1957, 520).
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