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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2022 — 2023

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D. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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III. Das WIN-Kolleg der Jungen Akademie | HAdW
DOI Kapitel:
Siebter Forschungsschwerpunkt: „Wie entscheiden Kollektive?“
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https://doi.org/10.11588/diglit.67410#0385
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1. Heiligenleben (WIN-Programm)

wie legendarische Erzählungen ihren Figuren Handlungsmacht absprechen oder
zuschreiben: Wird der Lebensweg der Heiligen als vorherbcstimmt imaginiert
oder als Resultat autonomer Entscheidungen? Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf
Kontinuitäten, Konflikten und Transformationen zwischen mittelalterlichen und
modernen Heiligenerzählungen. Welche Elemente der mittelalterlich-christlichen
Legende eignet sich die Moderne an, welche verwirft sie und wie geht sie mit
der für die Gattung konstitutiven Spannung zwischen göttlicher Providenz und
menschlicher Autonomie um? Die Überlegungen unserer Gruppe werden dabei
durch die gemeinsame Einleitung und durch den Beitrag von Beatrice von Lüp-
ke zur Diskussion gestellt, der am Beispiel von Paulus-Legenden des Hoch- und
Spätmittelalters die unterschiedliche Pointierung der paradoxen Erwählung eines
Sünders aufzeigt.
Den interdisziplinären Austausch haben wir in mehreren virtuellen sowie
zwei präsentischen Arbeitstreffen in Konstanz (14. Mai 2022) und Heidelberg
(27.-29. Oktober 2022) weitergeführt und vertieft. In diesen Treffen haben wir
den Workshop „Figur und Heiligkeit“ vorbereitet, der am 16. und 17. Februar 2023
in den Räumen der Akademie stattfmden wird. Ausgehend von einem interdiszip-
linären Ansatz fragen wir einerseits danach, inwiefern sich jüngere narratologische
Ansätze zur Figur für die Untersuchung heiliger Figuren fruchtbar machen lassen,
andererseits möchten wir uns mit denjenigen Praktiken des Um- und Wieder-
schreibens hagiographischer Texte beschäftigen, die unter dem Begriff der „ree-
criture“ gefasst werden. Beide Perspektiven konvergieren in der Frage nach den
wirkungspsychologischen Funktionen von Heiligenfiguren: Sollen sie tatsächlich
ein Kollektiv zur Nachahmung (oder Nachfolge) anleiten? Grundlage der Dis-
kussion sind die vorab von allen gelesenen Quellen, zu denen die Referent:innen
jeweils kurze Impulse vorbereiten.
Aus dem interdisziplinären Gespräch heraus haben Daniela Blum und Beatri-
ce von Lüpke einen gemeinsamen Aufsatz unter dem Arbeitstitel „Heilige Solisten
und Klostergemeinschaften. Serielles legendarisches Erzählen in Der Heiligen Le-
ben“ ausgearbeitet, der das theologische und stilistische Programm des spätmittel-
alterlichen Legendars Der Heiligen Leben untersucht. Diese Kompilation ist zwar
das mit Abstand am meisten verbreitete mittelalterliche Legendär, wurde in der
Forschung aber wenig rezipiert. Der Aufsatz soll 2023 in einer literaturwissen-
schaftlichen Zeitschrift veröffentlicht werden.
Unsere Habilitationsschriften, auf deren thematischer Konvergenz das Pro-
jekt beruht, sind auch im Jahr 2022 weiter vorangeschritten und sollen in den
kommenden Jahren abgeschlossen werden. Um die Fragen des Projekts auch in ei-
nem weiteren Kontext zu diskutieren und Ergebnisse in die Lehre zu tragen, haben
Beatrice von Lüpke ein Masterseminar „imitatio“ (Universität Wien, WS 2022/23)
und Christoph Haack ein Seminar „Heiliges Leben. Heiligenkult und Schriftlich-
keit im hohen Mittelalter“ (Universität Tübingen, WS 2022/23) angeboten.

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