Ute Hüsken und Jonas Buchholz

(Abb. 3, 4). In den Tempellegenden von Kanchipuram werden die mythologischen
Ursprungsgeschichten all dieser Stätten erzählt und ihre religiöse Wirksamkeit ge-
priesen.


Abb. 4: Matalisvara-Schrein, Kanchipuram (Foto: Jonas Buchholz)

Diese Texte sind der Haupteinstiegspunkt für die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler, die an diesem Projekt arbeiten. Sie bilden ein recht umfangreiches
Korpus von acht Texten mit einem Gesamtumfang von mehr als 50.000 Zeilen
(doppelt so viel wie die Ilias und die Odyssee zusammen). Diese Texte wurden in
zwei Sprachen, Sanskrit und klassischem Tamil, verfasst (Tamil ist die Regional-
sprache in diesem Teil Indiens) und repräsentieren verschiedene Traditionen des
Hinduismus (Saivismus, Vaisnavismus und Säktismus). Jahrhundertelang wurden
sie in Form von Palmblattmanuskripten überliefert (Abb. 5). Die meisten Texte
liegen auch in Form von relativ obskuren und oft unzuverlässigen Druckausgaben
aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert vor.
Im Rahmen des Projekts „Hinduistische Tempellegenden in Südindien" ent-
stehen neue digitale Editionen samt englischer Übersetzungen des gesamten Kor-
pus der Tempellegenden von Kanchipuram. „Neue Editionen" bedeutet, dass die
bereits publizierten Texte unter Zuhilfenahme textkritischer Methoden auf der
Grundlage aller verfügbaren Handschriften neu ediert werden. Dies ermöglicht
es, der oft sehr komplexen Überlieferungsgeschichte der Texte gerecht zu wer-
den, die sich in den vorhandenen Ausgaben nicht widerspiegelt. Die bisher un-
veröffentlichten Texte werden erstmalig ediert. Die digitalen Editionen werden im
TEI-XML-Format (dem Standard für die Kodierung digitaler Texte in den Geistes-

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