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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Röckelein, Hedwig: Inklusion – Exklusion: weiblich - männlich
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0130
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Inklusion – Exklusion: weiblich – männlich | 129
Exklusion mittelalterlicher Mönche und Nonnen. Aus der Sicht der monastischen
Regeln sind die Exkludierten inkludiert in die Gemeinschaft Gleichgesinnter. ¹²
Einschließung, Klausurierung heißt in den lateinischen Regeltexten daher inclusio,
nicht exclusio. Die Eingeschlossenen lebten in einem eigenen Kosmos, in religiöser
und ökonomischer Autonomie, in einer von der Gesamtgesellschaft akzeptierten
Parallelgesellschaft. Dort galten andere Regeln als im Rest der Gesellschaft.
Aus dieser Sondergemeinschaft konnte man wieder austreten oder aufgrund eines
Vergehens temporär oder auf Dauer ausgeschlossen werden. Dieser Vorgang
wird in den mittelalterlichen Quellen als excommunicatio bezeichnet. Der Abt bzw.
die Äbtissin als oberste Autorität und Strafinstanz der Kommunität beschloss die
Exklusion nach mehrfacher Mahnung des Delinquenten und nach Beratung mit
den erfahrenen Mitbrüdern oder -schwestern. Exkommunikation zog die Separation
und Segregation von der Gemeinschaft nach sich: zunächst die Isolation in
einer Zelle, die Trennung von der Gemeinschaft bei Mahlzeiten und der Arbeit,
bei nachhaltiger Renitenz die endgültige und unwiderrufliche Verstoßung aus der
monastischen Gemeinschaft.
Die monastische Inklusion als soziale Tatsache
Obwohl die Soziologie den Begriff der Exklusion antithetisch zur monastischen
Terminologie auffasst, sind deren Modelle dennoch erkenntnisleitend für das Verständnis
mittelalterlicher Normen und Vorstellungen. ¹³ Die klausurierten Asketen
lebten getrennt von ihrem angestammten sozialen Umfeld, von ihrer Familie, ihren
Verwandten und Freunden. Und sie trennten sich vom anderen Geschlecht. Diese
zweifache Separation machte sie zu esoterischen Asozialen in einer Gesellschaft,
deren Zusammenhalt primär auf der Familie, der Genealogie, der Fortpflanzung
und dem Erbe basierte. Die leibliche Familie wurde im Kloster durch eine geistliche
Familie ersetzt. ¹⁴
12 Die deutsche Klosterforschung im Umfeld der Freiburg-Münsteraner Schule sprach von »Person« und
»Gemeinschaft«, die Dresdener Schule benutzt die Termini »Individuum« und »Gemeinschaft«.
13 Hahn/Bohn, Partizipative Identität (wie Anm. 3), S. 14: »Die Doppelheit des Status des Menschen,
[…] einerseits als konkretes Mitglied einer Familie ganz aufgehend in seiner partizipativen Identität, andererseits
aber als unsterbliche Seele unverwechselbar singuläre Person […] wird im Mönch symbolisch
überwunden: So wie das Kloster in der Welt a u ß e r h a l b ihrer ist, so ist der Mönch der esoterische
Mensch im exoterischen Menschen.«
14 Klaus Schreiner, Consanguinitas – Verwandtschaft als Strukturprinzip religiöser Gemeinschafts- und
Verfassungsbildung in Kirche und Mönchtum des Mittelalters, in: Beiträge zu Geschichte und Struktur
der mittelalterlichen Germania Sacra, hg. von Irene Crusius (Veröffentlichungen des Max-Planck-
Instituts für Geschichte 93/Studien zur Germania Sacra 17), Göttingen 1989, S. 176 –305. Donald Dee
Hochstetler, The Meaning of Monastic Cloister for Women According to Caesarius of Arles, in:
Religion, Culture and Society in the Early Middle Ages. Studies in Honor of Richard E. Sullivan, hg. von
Thomas F.X. Noble/John H. Contreni, Kalamazoo 1987, S. 27– 40, hier S. 32: »It was the nun’s duty
 
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