Metadaten

Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

DOI Artikel:
Schmidt, Hans-Joachim: Kommentar zur Sektion Individuum und Gemeinschaft - Institutionalität
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0203
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
202 | Hans-Joachim Schmidt
Abläufe gestaltet wurde. Die Entstehung von Hospital-, Ritter-, Seelsorge-, Predigerorden
u.a. förderte funktionale Regulierungen, die nicht mehr allein durch
das Gründungsideal, durch asketische Ambitionen, sondern zunehmend durch den
Aspekt der Nützlichkeit bestimmt waren. Effizienzsteigerung verlangte in höherem
Ausmaß als die Nachfolge eines Vorbildes nach Regulierungen, die, sofern sie
schriftlich fixiert wurden, räumliche und zeitliche Permanenz sichern sollten und
Grundlagen abgaben für Kontrolle und Evaluation der Aufgabenerfüllung. Aber
die Rückbesinnung auf die Ursprünge erwies sich dabei aber stets als Korrektiv zur
Institutionalisierung und ermöglichte stets erneute Schübe zur Geltung des Charismas,
sodass aus dem Korsett starrer Regelungen Ausbrüche erfolgen konnten,
die aber – ein Kontinuum in der Ordensgeschichte – erneut durch Normen eingefangen
wurden, die wiederum Konflikte heraufbeschworen. Aus diesem Grund
sperrte sich individuelles Vollkommenheitsstreben gegenüber einer institutionellen
Verstetigung und Wiederholung von Verfahren, die aber auf der anderen Seite gerade
dieses Vollkommenheitsstreben perpetuieren sollten. Einzigartigkeit individueller
asketischer Höchstleistung spornte zur Nachahmung und zur Nachfolge an,
stieß sich aber zugleich an Standardisierungen.
Daher ist das Problem, das uns Frau Signori vorstellte, so schwierig zu lösen:
Konnte es sein und konnte es geduldet werden, dass individuelle Vorlieben, gesonderte
Beziehungen zu Menschen ausserhalb des regulierten Verhaltens und gar
ausserhalb kodifizierter Erinnerungsmedien im Kloster bestanden, die eine – wie
sie es nannte – »Subjektkultur« hervorbrachten? Denn es ging meines Erachtens
ja nicht so sehr um die teilweise Öffnung der klösterlichen Klausur und um die
Beziehung zur Aussenwelt, sondern um die individuelle Aneignung von Beziehungen.
Wenn Bilder Medien von Freundschaftsbanden waren, so gab es ein Problem.
Bilder waren im Privatbesitz und Bilder repräsentierten private Beziehungen. Die
res privatae waren aber nicht mehr zu uniformieren. Sie liessen sich zwar institutionalisieren,
d.h. in ein normativ gelenktes Verhalten überführen, dann aber durch
Verfahren des Interessenausgleichs, die darauf achten würden, dass der Zugang zu
Ressourcen von materiellen und immateriellen Gütern, das Anknüpfen von Kommunikationen
und die Oktroyierung des eigenen Willens durch Kompromisse und
Machtkämpfe ausgefochten würden. Damit wäre aber die Dichotomie von Uniformität
und Originalität innerhalb eines Klosters nicht mehr harmonisierend aufzuheben
gewesen und eine Institution, die darauf verzichten würde, wäre nicht mehr
mit dem mönchischen Ideal zu vereinbaren. Die Willkürlichkeit bei der Vergabe
des Gnadenschatzes schloss prinzipiell Verteilungskämpfe aus. In der Praxis waren
aber die Verfügung über materielle Güter und das Knüpfen persönlicher Freundschaften
nicht ausgeschlossen und waren die Quelle von Absonderungen und von
Konflikten.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften