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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Steckel, Sita: Deuten, Ordnen und Aneignen: Mechanismen der Innovation in der Erstellung hochmittelalterlicher Wissenskompendien
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0235
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234 | Sita Steckel
und Ordnungen verstehen. ⁷⁵ Sein De trinitate et operibus eius zeigt jedoch ebenfalls
einen systematisierenden und vereinheitlichenden Zugriff – er ist Anselms Methode
der Harmonisierung der Väterautoritäten, die diversa, non adversa waren, letztlich
verwandt. Rupert war sogar anspruchsvoller, da er die Bibel und das Weltgeschehen
insgesamt deuten wollte. Die für die systematisierende dialektische Theologie
herausragende Bedeutung des biblischen Wortlauts und dessen möglicher Interpretation
hatte Rupert zudem durchaus verstanden. Er lehnte aber die argumentierende
Sprache der Schüler Anselms ab und bestand in der Tradition süddeutscher
Reformer wie Manegold von Lautenbach darauf, dass man eine biblische Sprache
und biblische Begründungen nutzen sollte, um Argumente abzustützen. In Parallele
zu Autoren wie Bernold von Konstanz, Peter Abaelard oder Gilbert von Poitiers
entwickelte Rupert jedoch im Verlauf seiner weiteren Arbeit die Meinung, dass die
Kirchenväter nur eingeschränkte Autorität haben könnten und ihre Aussagen weiter
diskutiert werden mussten. Während die Schule von Laon aus den patristischen
Sammlungen also die autoritative Glossa ordinaria kondensierte (und damit die Autorität
der Kirchenväter letztlich neu festschrieb), fing Rupert an, selbst innovative
Deutungen der Bibel zu entwickeln. Er schrieb sich dazu nach Berufungserlebnissen
eine existenzielle Autorisierung zu, die ihm, wie Christel Meier formuliert, eine
»Befreiung von den Vätern« erlaubte. ⁷⁶
Aus heutiger, auf eine Differenzierung von Religion und Wissenschaft orientierter
Sicht tritt in den Werken Ruperts damit eine Berufung auf gelehrte Methoden
mit der Berufung auf religiöses Charisma in direkte Konkurrenz. Dies leistet
einer dichotomischen Unterscheidung religiöser »klösterlicher« und säkularer
»schulischer« Gelehrsamkeit einigen Vorschub. Für Rupert war diese Alternative
allerdings nicht gegeben. ⁷⁷ Eine Gegenüberstellung menschlichen und göttlichen
Wissens scheint zwar in seinen pointiertesten und polemischsten Bezugnahmen auf
Gegner auf, etwa wenn er behauptete, ihm sei Christus lieber als zehn menschliche
Lehrer. Doch war man selbstverständlich auch in der Schule Anselms von Laon,
die Rupert indirekt angriff, an religiösem Wissen interessiert. Es konkurrieren also
nicht religiöse und säkulare Entwürfe, sondern mehrere religiöse Entwürfe miteinander.
⁷⁸ Rupert sah sich zudem von Christus ausdrücklich zum Schriftsteller für
die Gesamtkirche (ecclesia) berufen und verortete seine Art der Erkenntnis als Pri-
75 Vgl. insbesondere Van Engen, Wrestling with the Word (wie Anm. 73).
76 Vgl. Meier, Ruperts von Deutz Befreiung (wie Anm. 73).
77 Vgl. so zuletzt spezifisch Diehl, Grace of Learning (wie Anm. 73), S. 4 und öfter.
78 Vgl. ähnlich die Überlegungen von John D. Cotts, Monks and Clerks in Search of the Beata Schola, in:
Teaching and Learning in Northern Europe, 1000 –1200, hg. von Sally N. Vaughn/Jay Rubenstein
(Studies in the Early Middle Ages 8), Turnhout 2006, S. 255 –278.
 
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