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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Ertl, Thomas: Pragmatische Visionäre? Die mendikantische Sicht der Welt im 13. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0259
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258 | Thomas Ertl
des Franziskus weit entfernt hatte. ²⁴ Seine Erklärung dafür war simpel: Man dürfe
nicht an für eine Situation geschaffenen Bestimmungen festhalten, die so nicht mehr
existiere.
Salimbenes Welt war hierarchisch streng gegliedert und erinnert an ältere funktionale
Deutungsmodelle der christlichen Gesellschaft, ²⁵ wobei bei ihm eine Dreiteilung
der Christenheit in Franziskaner, Weltklerus und Laien das Bild bestimmte.
Trotz dieser konventionellen Deutungsmethode steht Salimbene mit beiden Beinen
im 13. Jahrhundert und interpretiert seine Gegenwart mit zeitgemäßen Begriffen
und Maßstäben. ²⁶ Die Art und Weise, wie Salimbene die Begriffe curialis/curialitas
verwendet, scheint mir diese Modernität besonders deutlich zu veranschaulichen.
Im 12. Jahrhundert kam dieser Begriff in Mode und entwickelte sich in der höfischen
Dichtung zum Sammelbegriff aristokratischer Tugenden und Verhaltensweisen,
in der deutschsprachigen Dichtung wurde er als hövescheit wiedergegeben. ²⁷
Seine Wurzeln hatte dieser Tugendkatalog vermutlich in einem gelehrten Bildungsund
Verhaltenskonzept, das von gelehrten Klerikern an den Domschulen des hohen
Mittelalters unter Rückgriff auf antike Texte propagiert worden war. ²⁸ Bei Salimbene
erweitert sich die curialitas zu einer Eigenschaft, die alle Menschen, also Adlige
und Nicht-Adlige, Kleriker und Laien, Männer und Frauen besitzen oder anstreben
24 Zur Entwicklung von Bildung und Studium im Orden vgl. Dieter Berg, Armut und Wissenschaft. Beiträge
zur Geschichte des Studienwesens der Bettelorden im 13. Jahrhundert (Bochumer Historische Studien
15), Düsseldorf 1977; Bert Roest, A history of Franciscan education (c. 1210 –1517) (Education
and society in the Middle Ages and Renaissance 11), Leiden 2000. Zur Wahrnehmung mendikantischer
Gelehrsamkeit vgl. Sickert, Klosterbrüder (wie Anm. 7), S. 147–158.
25 Otto Gerhard Oexle, Die funktionale Dreiteilung der »Gesellschaft« bei Adalbero von Laon. Deutungsschemata
der sozialen Wirklichkeit im früheren Mittelalter, in: Frühmittelalterliche Studien 12, 1978,
S. 1–54.
26 Zum Charakter der Chronik als »at once traditional and innovative« vgl. Williams Lewin, Salimbene
(wie Anm. 13), S. 87.
27 Zum Begriff Peter Ganz, curialis/hövesch, in: Höfische Literatur, Hofgesellschaft, Höfische Lebensformen
um 1200, hg. von Gert Kaiser/Jan-Dirk Müller (Studia humaniora 6), Düsseldorf 1986, S. 39 –56;
Peter Ganz, hövesch/hövescheit im Mittelhochdeutschen, in: Curialitas. Studien zu Grundfragen der
höfisch-ritterlichen Kultur, hg. von Josef Fleckenstein (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts
für Geschichte 100), Göttingen 1991, S. 39 –54. Zum Begriff bei Salimbene Braisch, Eigenbild (wie
Anm. 17), Bd. 2, S. 11–19.
28 Charles Stephen Jaeger, Die Entstehung höfischer Kultur. Vom höfischen Bischof zum höfischen Ritter
(Philologische Studien und Quellen 167), Berlin 2001. Kritisch zu diesem Zusammenhang von klerikalem
Erziehungsprogramm und vulgärsprachlicher Dichtung Walter Haug, Gibt es einen Zusammenhang
zwischen dem klerikalen Konzept der Curialitas und dem höfischen Weltentwurf des vulgärsprachlichen
Romans?, in: Ders., Positivierung von Negativität. Letzte kleine Schriften, hg. von Ulrich Barton,
Tübingen 2008, S. 108 –123. Mit etwas anderen Akzenten Josef Fleckenstein, Miles und clericus am
Königs- und Fürstenhof. Bemerkungen zu den Voraussetzungen, zur Entstehung und zur Trägerschaft
der höfisch-ritterlichen Kultur, in: Curialitas. Studien zu Grundfragen der höfisch-ritterlichen Kultur, hg.
von Josef Fleckenstein (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 100), Göttingen
1991, S. 302–325; Karlheinz Stierle, Cortoisie. Die literarische Erfindung eines höfischen Ideals, in:
Poetica 26, 1994, S. 256 –283.
 
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