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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Ertl, Thomas: Pragmatische Visionäre? Die mendikantische Sicht der Welt im 13. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0258
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Pragmatische Visionäre? | 257
non zu definieren, aber durch seine Hinweise auf die praktische Tätigkeit eines litteratus,
erfahren wir, dass zu den Gebildeten gehört, wer die artes liberales studiert
hat, die lateinische Sprache beherrscht, theologische Kenntnisse besitzt, Bibelexegese
betreibt, sich mit philosophischen Fragen beschäftigt, im Kirchenrecht bewandert
ist oder Predigten verfasst. ¹⁸ Zwar gebe es auch unter den Laien Personen mit
Bildung, gebildete Bürger etwa wie Richter, Notare oder Ärzte, ja ausnahmsweise
sogar adelige Herren, die kriegerischen Mut und Bildung in sich vereinen. ¹⁹ In der
Regel sei Bildung jedoch dem geistlichen Stand vorbehalten.
Allerdings existiere auch innerhalb des geweihten Standes eine Hierarchie: Unter
den säkularen Klerikern gebe es einige mit und einige mehr ohne Bildung, ²⁰ unter
den Mendikanten im Allgemeinen gebe es viele mit und einige ohne, unter den
Franziskanern jedoch gebe es sehr viele mit und sehr wenige ohne Bildung. Zudem
überrage die Bildung der Franziskaner auch in ihrem Umfang und ihrer Tiefe die
aller anderen weltlichen und geistlichen Gemeinschaften. Mit Stolz preist Salimbene
die Gelehrsamkeit seiner Mitbrüder, die geistliche Lieder komponieren, kluge
Bücher verfassen, eine schöne Schrift besitzen, an einer Universität lehren sowie
Meister der Disputation und Überredungskunst sind. ²¹
Unter allen anderen menschlichen Gemeinschaften dominieren die illiterati. Bildungsferne
muss zwar nicht immer ein Schaden sein – von einem armen Gerber
erzählt Salimbene, er sei von reinem Herzen gewesen, aufrichtig, gottesfürchtig,
ungebildet zwar, aber mit erleuchtetem Verstand, sodass er prophetische Schriften
habe deuten können. ²² In der Regel habe den Laien allerdings nicht nur die Bildung
gefehlt, sondern auch diese Form der Erleuchtung oder mystischen Einsicht. Daher
spricht sich Salimbene gegen den Einfluss der Laien innerhalb des Franziskanerordens
aus und verteidigt den Prozess der Klerikalisierung des Ordens. Eine besondere
Gefahr stellt in seinen Augen eine mangelhafte Bildung bei den Angehörigen
des geistlichen Standes dar. Dumme und ungebildete Kleriker seien nämlich nicht
in der Lage, die ihnen anvertraute Herde auf den richtigen Weg zu führen. ²³ Salimbene
war bewusst, dass sich seine hohe Wertschätzung der Bildung als Instrument
der Seelenführung und gesellschaftlichen Hierarchisierung von mancher Äußerung
18 Zu den Belegen Braisch, Eigenbild (wie Anm. 17), Bd. 2, S. 104, Anm. 204 und 205.
19 Zum Bild des gebildeten Ritters Sabine Krüger, »Verhöflichte Krieger« und miles illitteratus, in: Curialitas.
Studien zu Grundfragen der höfisch-ritterlichen Kultur, hg. von Josef Fleckenstein (Veröffentlichungen
des Max-Planck-Instituts für Geschichte 100), Göttingen 1991, S. 326 –349.
20 Braisch, Eigenbild (wie Anm. 17), Bd. 2, S. 105 mit Anm. 207.
21 Braisch, Eigenbild (wie Anm. 17), Bd. 2, S. 106.
22 Braisch, Eigenbild (wie Anm. 17), Bd. 2, S. 108 f.
23 Zu Unbildung bei Laien, Weltgeistlichen und in den Orden bei Salimbene vgl. Braisch, Eigenbild (wie
Anm. 17), Bd. 2, S. 108 –112.
 
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