Metadaten

Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

DOI Artikel:
Lutter, Christina: Geistliche Gemeinschaften in der Welt: Kommentar zur Sektion Individuum und Gemeinschaft – Innen und Außen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0146
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Geistliche Gemeinschaften
in der Welt
Kommentar zur Sektion Individuum und Gemeinschaft –
Innen und Außen
Christina Lutter
Otto Gerhard Oexle hat anhand zentraler früher Regeltexte – der frühesten Regel
für das koinobitische Zusammenlebens des Pachomius (292–348), der Praecepta
des Augustinus (354 – 430), sowie des monastischen Entwurfs des Johannes Cassian
(360 – 435) – gemeinsame Aspekte der Vorstellungen und der Praxis spätantik-frühmittelalterlichen
monastischen Lebens in diesen normativen Modellen herausgearbeitet.
¹ Allen drei Regeln gemeinsam war demnach die Bedeutung der urchristlichen
vita communis im Sinn der Apostelgeschichte, deren wesentliche konzeptionelle
Elemente die Gemeinsamkeit und Gleichheit ihrer Mitglieder sowie gemeinsamer
statt individuellem Besitz darstellten. Sowohl bei Johannes Cassian als auch bei
Pachomius wird allerdings, stärker als bei Augustinus, neben dem Leitbegriff des
gemeinschaftlichen Lebens dessen Eigenschaft als coenobiotarum disciplina (Cassian)
bzw. als ordo disciplinae (Pachomius) hervorgehoben, d. h. als gemeinsame,
geregelte und disziplinierte Lebensführung, die von – wenn auch maßvoller – Askese
geleitete, ortsgebundene und habituelle Gemeinsamkeit von Arbeit, Tisch, Gebet
und Liturgie. Koinobitische Askese ist Arbeit, Methode und Technik; asketische
exercitia bezeichnen ein spirituelles Handwerk, dessen Objekte Körper und Seele
sind. ² Als gemeinsam praktizierte Techniken zur Kontrolle der Affekte durch den
Willen begründen sie eine dauerhafte Haltung, einen Habitus.
Ausgehend von Max Webers Unterscheidung in »weltflüchtige« und »innerweltliche«
Askese argumentiert Oexle anhand seiner Lektüre dieser frühen Regeltexte,
1 Otto Gerhard Oexle, Koinos bios: Die Entstehung des Mönchtums, in: Die Wirklichkeit und das Wissen.
Mittelalterforschung – Historische Kulturwissenschaft – Geschichte und Theorie der historischen
Erkenntnis, hg. von Andrea von Hülsen-Esch/Bernhard Jussen/Frank Rexroth, Göttingen 2011,
S. 470 – 495.
2 Etwa Jean Leclercq, L’Amour des lettres et le Désir de Dieu. Initiation aux auteurs monastiques du
moyen âge, Paris 1957; vgl. auch Albrecht Diem, Das monastische Experiment. Die Rolle der Keuschheit
bei der Entstehung des westlichen Klosterwesens (Vita regularis. Abhandlungen 36), Münster 2000.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften