146 | Christina Lutter
dass es diese monastischen Gruppen seien, die »mit ihrer rationalen, methodischen,
disziplinierten Lebensführung die geschichtlichen Leistungen und Wirkungen des
Mönchtums hervorgebracht haben«. Nicht eremitische Askese, so Oexle, sondern
eine spezifische, religiös begründete Form des Gemeinschaftslebens in seiner
Auseinandersetzung mit der Welt war für diese Lebensform konstitutiv, nicht
zuletzt weil die in diesen Regeln skizzierten Entwürfe eng mit der die spätantiken
Klöster umgebenden merkantilen Stadtkultur verflochten waren. ³ Diese wichtigste
Gemeinsamkeit, das Zusammenleben in sozialen Gruppen, bezieht Oexle mit
Weber ausdrücklich auf die Frage nach den langfristigen kulturellen Leistungen
der monastischen Lebensform in der Welt: Denn wie wolle man diese Leistungen
begreifen, wenn die Lebensform selbst auf dem genau gegenteiligen Prinzip eines
vollständigen Rückzugs aus der Welt beruhe? Hier geht es also um eine der maßgeblichen
Fragen auch dieser Tagung und des ihr zu Grunde liegenden Projekts
nach der Qualität von Klöstern als »Innovationslabore[n] europäischer Lebensentwürfe
und Ordnungsmodelle« sowie jener nach den gesellschaftlichen Langzeitwirkungen
der monastischen Lebensform im mittelalterlichen Europa, also um die
Wechselwirkungen von Vorstellungen und Praxis von Gemeinschaft im Kloster und
die Kohärenz und Nachhaltigkeit von sozialen Gruppen in der Welt. ⁴
So sehr die Abschließung des monastischen Raums nach außen bzw. die inclusio
seiner Mitglieder für das koinobitische Religiosentum konstitutiv ist, wie Hedwig
Röckelein unterstreicht, ⁵ so grundlegend äußert sich die Vorstellung einer Integration
von Innen und Außen, von Mensch und Gesellschaft im europäischen Mittelalter
in der Vorstellung der neutestamentarischen vita apostolica, der Gemeinschaft
aller Christen. Trotz, oder gerade aufgrund der vor diesem Hintergrund von
den Kirchenvätern differenzierten Konzeption einer moralischen, mit der sozialen
korrespondierenden Ständeordnung wird der spirituelle Weg als ein gemeinsamer
aufgefasst – die Stärkeren helfen den Schwächeren, Heilige den Sündern, geistlich
lebende Menschen den Laien durch Gebetsleistungen, spirituelle Verdienste und
karitative Handlungen sowie nicht zuletzt durch Heilsvermittlung. ⁶ Die Dialek-
3 Oexle, Koinos bios (wie Anm. 1), S. 471– 473 zur Forschungsgeschichte; S. 474 – 476 die zentralen Fragen;
S. 479 das Zitat; S. 492 zur spätantiken Stadtkultur; Ders., Max Weber und das Mönchtum, in: Max Webers
Religionssoziologie in interkultureller Perspektive, hg. von Hartmut Lehmann/Jean Martin Ouédraogo
(Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 194), Göttingen 2003, S. 311–334.Vgl.
Hans-Jürgen Derda, Vita communis. Studien zur Geschichte einer Lebensform in Mittelalter und Neuzeit,
Köln/Weimar/Wien 1992, mit einer eingehenden Diskussion der einzelnen erwähnten Regeltexte,
ebenso wie der Regula St. Benedicti und deren Rezeption im europäischen Mittelalter, besonders Teil II,
S. 59 –182.
4 Vgl. die Beiträge der Herausgeber.
5 Dazu v. a. den Abschnitt »Prolegomena« im Beitrag von Hedwig Röckelein in diesem Band, S. 127–131.
6 Arnold Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, 4. Aufl. Darmstadt 2009; Otto Gerhard
Oexle, Deutungsschemata der sozialen Wirklichkeit im Mittelalter, in: Mentalitäten im Mittelalter. Me-
dass es diese monastischen Gruppen seien, die »mit ihrer rationalen, methodischen,
disziplinierten Lebensführung die geschichtlichen Leistungen und Wirkungen des
Mönchtums hervorgebracht haben«. Nicht eremitische Askese, so Oexle, sondern
eine spezifische, religiös begründete Form des Gemeinschaftslebens in seiner
Auseinandersetzung mit der Welt war für diese Lebensform konstitutiv, nicht
zuletzt weil die in diesen Regeln skizzierten Entwürfe eng mit der die spätantiken
Klöster umgebenden merkantilen Stadtkultur verflochten waren. ³ Diese wichtigste
Gemeinsamkeit, das Zusammenleben in sozialen Gruppen, bezieht Oexle mit
Weber ausdrücklich auf die Frage nach den langfristigen kulturellen Leistungen
der monastischen Lebensform in der Welt: Denn wie wolle man diese Leistungen
begreifen, wenn die Lebensform selbst auf dem genau gegenteiligen Prinzip eines
vollständigen Rückzugs aus der Welt beruhe? Hier geht es also um eine der maßgeblichen
Fragen auch dieser Tagung und des ihr zu Grunde liegenden Projekts
nach der Qualität von Klöstern als »Innovationslabore[n] europäischer Lebensentwürfe
und Ordnungsmodelle« sowie jener nach den gesellschaftlichen Langzeitwirkungen
der monastischen Lebensform im mittelalterlichen Europa, also um die
Wechselwirkungen von Vorstellungen und Praxis von Gemeinschaft im Kloster und
die Kohärenz und Nachhaltigkeit von sozialen Gruppen in der Welt. ⁴
So sehr die Abschließung des monastischen Raums nach außen bzw. die inclusio
seiner Mitglieder für das koinobitische Religiosentum konstitutiv ist, wie Hedwig
Röckelein unterstreicht, ⁵ so grundlegend äußert sich die Vorstellung einer Integration
von Innen und Außen, von Mensch und Gesellschaft im europäischen Mittelalter
in der Vorstellung der neutestamentarischen vita apostolica, der Gemeinschaft
aller Christen. Trotz, oder gerade aufgrund der vor diesem Hintergrund von
den Kirchenvätern differenzierten Konzeption einer moralischen, mit der sozialen
korrespondierenden Ständeordnung wird der spirituelle Weg als ein gemeinsamer
aufgefasst – die Stärkeren helfen den Schwächeren, Heilige den Sündern, geistlich
lebende Menschen den Laien durch Gebetsleistungen, spirituelle Verdienste und
karitative Handlungen sowie nicht zuletzt durch Heilsvermittlung. ⁶ Die Dialek-
3 Oexle, Koinos bios (wie Anm. 1), S. 471– 473 zur Forschungsgeschichte; S. 474 – 476 die zentralen Fragen;
S. 479 das Zitat; S. 492 zur spätantiken Stadtkultur; Ders., Max Weber und das Mönchtum, in: Max Webers
Religionssoziologie in interkultureller Perspektive, hg. von Hartmut Lehmann/Jean Martin Ouédraogo
(Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 194), Göttingen 2003, S. 311–334.Vgl.
Hans-Jürgen Derda, Vita communis. Studien zur Geschichte einer Lebensform in Mittelalter und Neuzeit,
Köln/Weimar/Wien 1992, mit einer eingehenden Diskussion der einzelnen erwähnten Regeltexte,
ebenso wie der Regula St. Benedicti und deren Rezeption im europäischen Mittelalter, besonders Teil II,
S. 59 –182.
4 Vgl. die Beiträge der Herausgeber.
5 Dazu v. a. den Abschnitt »Prolegomena« im Beitrag von Hedwig Röckelein in diesem Band, S. 127–131.
6 Arnold Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, 4. Aufl. Darmstadt 2009; Otto Gerhard
Oexle, Deutungsschemata der sozialen Wirklichkeit im Mittelalter, in: Mentalitäten im Mittelalter. Me-