Prolegomena
Inklusion – Exklusion:
weiblich – männlich
Hedwig Röckelein
inclusio – exclusio: Soziologie versus monastische Sicht
Die Einschließung gehört zu den konstituierenden Merkmalen des christlichen
Mönchtums. ¹ Mönche und Nonnen schotten sich von der Welt ab, um sich auf das
Gebet, die Meditation, das Gespräch mit Gott zu konzentrieren. Sie leben in einer
liminalen Zone zwischen Diesseits und Jenseits, in einem »himmlischen Jerusalem
auf Erden«. ² Mit ihren Gebeten und den Almosen vermitteln sie zwischen der Immanenz
und der Transzendenz. Wie die Heiligen streben sie nach Christiformitas,
nach der Ähnlichkeit und Gleichheit mit Christus. ³ Asketische und spirituelle Techniken
sowie karitative Handlungen unterstützen sie auf diesem Weg.
Die Formen des Zusammenlebens und die Intensität der Klausurierung können
bei den Asketen, je nachdem, ob es sich um Koinobiten, Eremiten oder Inklusen/
Reklusen handelt, sehr verschieden aussehen. Gegenstand meiner Untersuchung
sind weder die radikalen Inklusen noch die Eremiten – auf sie trifft eine Reihe
meiner folgenden Aussagen nicht zu –, sondern koinobitisch organisierte Männer
und Frauen.
Aus der Sicht der Systemtheorie, die ich hier als theoretisches Fundament heranziehen
will, zeigt Inklusion den Grad der Integration eines Individuums oder einer
sozialen Gruppe in die Gesellschaft an. ⁴ Aus dieser Sicht ist Exklusion pejorativ
besetzt, repräsentiert sie doch einen asozialen Zustand, der revidiert werden kann
1 Jean Leclercq, La clôture. Points de repère historiques, in: Collectanea Cisterciensia 43, 1981, S. 366–376.
2 Victor Turner/Edith Turner, Pilgrimage as a Liminoid Phenomenon, in: Image and Pilgrimage in Christian
Culture. Anthropological Perspectives, hg. von dens., Oxford 1978, S. 1–39, hier S. 4 kategorisieren
die monastische Absonderung als »sacralized enclosure or temenos«.
3 Alois Hahn/Cornelia Bohn, Partizipative Identität, Selbstexklusion und Mönchtum, in: Das Eigene
und das Ganze. Zum Individuellen im mittelalterlichen Religiosentum, hg. von Gert Melville/Markus
Schürer (Vita regularis 16), Münster/Hamburg 2002, S. 3 –25, hier S. 13.
4 Cornelia Bohn/Alois Hahn, Patterns of Inclusion and Exclusion. Property, Nation and Religion, in:
Soziale Systeme. Zeitschrift für soziologische Theorie 8, 2002, S. 8 –26, hier S. 13 f.
Inklusion – Exklusion:
weiblich – männlich
Hedwig Röckelein
inclusio – exclusio: Soziologie versus monastische Sicht
Die Einschließung gehört zu den konstituierenden Merkmalen des christlichen
Mönchtums. ¹ Mönche und Nonnen schotten sich von der Welt ab, um sich auf das
Gebet, die Meditation, das Gespräch mit Gott zu konzentrieren. Sie leben in einer
liminalen Zone zwischen Diesseits und Jenseits, in einem »himmlischen Jerusalem
auf Erden«. ² Mit ihren Gebeten und den Almosen vermitteln sie zwischen der Immanenz
und der Transzendenz. Wie die Heiligen streben sie nach Christiformitas,
nach der Ähnlichkeit und Gleichheit mit Christus. ³ Asketische und spirituelle Techniken
sowie karitative Handlungen unterstützen sie auf diesem Weg.
Die Formen des Zusammenlebens und die Intensität der Klausurierung können
bei den Asketen, je nachdem, ob es sich um Koinobiten, Eremiten oder Inklusen/
Reklusen handelt, sehr verschieden aussehen. Gegenstand meiner Untersuchung
sind weder die radikalen Inklusen noch die Eremiten – auf sie trifft eine Reihe
meiner folgenden Aussagen nicht zu –, sondern koinobitisch organisierte Männer
und Frauen.
Aus der Sicht der Systemtheorie, die ich hier als theoretisches Fundament heranziehen
will, zeigt Inklusion den Grad der Integration eines Individuums oder einer
sozialen Gruppe in die Gesellschaft an. ⁴ Aus dieser Sicht ist Exklusion pejorativ
besetzt, repräsentiert sie doch einen asozialen Zustand, der revidiert werden kann
1 Jean Leclercq, La clôture. Points de repère historiques, in: Collectanea Cisterciensia 43, 1981, S. 366–376.
2 Victor Turner/Edith Turner, Pilgrimage as a Liminoid Phenomenon, in: Image and Pilgrimage in Christian
Culture. Anthropological Perspectives, hg. von dens., Oxford 1978, S. 1–39, hier S. 4 kategorisieren
die monastische Absonderung als »sacralized enclosure or temenos«.
3 Alois Hahn/Cornelia Bohn, Partizipative Identität, Selbstexklusion und Mönchtum, in: Das Eigene
und das Ganze. Zum Individuellen im mittelalterlichen Religiosentum, hg. von Gert Melville/Markus
Schürer (Vita regularis 16), Münster/Hamburg 2002, S. 3 –25, hier S. 13.
4 Cornelia Bohn/Alois Hahn, Patterns of Inclusion and Exclusion. Property, Nation and Religion, in:
Soziale Systeme. Zeitschrift für soziologische Theorie 8, 2002, S. 8 –26, hier S. 13 f.