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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0032
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28 | 1. Flandern und die vita religiosa

»Reformzentrum«, das weithin in die Klosterlandschaft Flanderns und Nordfrank-
reichs ausstrahlte. Über personelle Bindungen und über die Einführung der clunia-
zensischen Consuetudines wurden so auf klassische Weise Filiationen erstellt.45
Sproemberg sah zudem in einer Formulierung eines Briefes Gräfin Clementias an
Hugo von Cluny einen Hinweis darauf, dass es einen regelrechten »Reformplan«
gegeben habe, dessen Ziel die »Reform« aller Abteien der Grafschaft gewesen sei.46
Die Umsetzung dieses Plans sei dabei aber von günstigen Gelegenheiten, wie inner-
klösterlichen Konflikten oder Abtswahlen, und von der Unterstützung durch den
Grafen abhängig gewesen.47
Die Frage, warum sich das Grafenhaus für Cluny entschieden hatte, wurde
zum einen mit den engen persönlichen Beziehungen Gräfin Clementias zu Cluny
erklärt.48 Zum anderen wurde in der jüngeren Forschung immer wieder auf die
Attraktivität Clunys für den lokalen Adel verwiesen. Die Errichtung von clunia-
zensisch geprägten Prioraten, wie beispielsweise jene Saint-Bertins oder Anchins,
wurde daher auch vor diesem Hintergrund gesehen.49 Von Prioraten oder Klöstern,
die sich am ordo cluniacensis orientierten, sei eine besondere spirituelle Attrakti-
vität ausgegangen. Die Arbeiten Arnoud-Jan Bijstervelds befassen sich in diesem
Zusammenhang mit den Schenkungspraktiken jener Zeit. Die steigende Zahl von
Stiftungen pro remedio animae korreliert er mit dem Aufkommen des ordo clunia-
censis in der Gegend: Da die weltlichen Herren in diesen Klöstern das Totenge-
denken besonders gut gewährleistet sahen, seien sie mit großzügigen Stiftungen
bedacht worden.50
Aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachtet Vanderputten die von Saint-
Bertin ausgehenden correctiones flandrischer Klöster, die zuerst die Abteien von
Auchy-les-Moines und Bergues-Saint-Winnoc betrafen. Beide Abteien waren seit
dem 11. Jahrhundert eng mit Saint-Bertin verbunden, doch diese Beziehungen tra-
ten zu Beginn des 12. Jahrhunderts zunehmend in den Hintergrund. Nach Vander-
45 H. Sproemberg, Alvisus, S. 90-97 betont aber (S. 96): »Es wurde keine Unterwerfung unter das Stamm-
kloster, von dem die Reform ausging, gefordert, es wurde aber auch kein dauerndes Band auf Grund der
Gleichberechtigung zwischen dem Stammkloster und dem zu reformierenden Kloster geknüpft. Die Selb-
ständigkeit der einzelnen Klöster wurde auf das Aengstlichste geschützt, man legte den größten Wert da-
rauf mindestens eine Vollmacht des Abtes zur Reform zu besitzen und vermied es, wenn irgend möglich,
gewaltsam einen neuen Abt einzusetzen.«; G. Declercq, Van >Renovatio ordinis< tot >Traditio romana<;
J. P. Gerzaguet, Crise, reforme et renouveau, S. 60-62.
46 H. Sproemberg, Alvisus, S. 43-45; siehe dazu unten S. 101-102.
47 H. Sproemberg, Alvisus, S. 96.
48 Zu Clementia und ihrem familiären Hintergrund vgl. Th. de Hemptinne, Artikel »Clementia, Gräfin
von Flandern«; zu Clementia und dem Einfluss Anselms von Canterbury vgl. H. Sproemberg, Alvisus;
E. Sabbe, La reforme clunisienne.
49 P. J. de Grieck, De Benedictijnse geschiedschrijving, S.66 bietet zudem in Anm. 4 weiterführende Litera-
tur.
50 J. A. Bijsterveld, In mei memoriam.
 
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