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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0036
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32 | 1. Flandern und die vita religiosa

Im Mittelpunkt der jährlichen Generalkapitel, über deren Inhalt die überliefer-
ten Beschlüsse von 1131 unterrichten, standen vor allem Fragen der Observanz.66
Neben der Gebetsverbrüderung sprach sich die Versammlung für eine Vereinfa-
chung und Kürzung der Liturgie aus, für eine Betonung des Schweigegebots, des
Fastens und der Handarbeit:67 Es handelt sich dabei um starke Abänderungen des
ordo cluniacensis, die in der Forschung als deutlicher Einfluss des »zisterziensischen
Geistes« gewertet wurden.68 Grund zu dieser Annahme gab neben den offensicht-
lichen inhaltlichen Parallelen vor allem die Person Wilhelms von Saint-Thierry, der
bekanntlich eng mit Bernhard von Clairvaux befreundet war. Nicht zuletzt wurde
diese These auch durch einen Brief Bernhards an die in Soissons versammelten Äbte
untermauert, da das Schreiben seinen Einfluss auf die Generalkapitel deutlich zu
erkennen gibt.69
66 Erstmals komplett ediert von S. Ceglar, Guillaume de Saint-Thierry, S. 312-319. Diese Edition beruht auf
der Handschrift aus Tournai (Paris, BnF, ms. lat 2677, fol. 83v-84r). S. Ceglar, Guillaume de Saint-Thierry,
S. 311 weist aber darauf hin: »Le Glossarium de Du Gange eite quelques exemples de ces decisions d’apres
un manuscrit de la Regle conserve alors ä la bibliotheque de Mont-Saint-Quentin«. Keine Beachtung
gefunden hat Douai, BM, ms. 540, obgleich die darin enthaltenen Beschlüsse bereits von P. Volk, Der Re-
zeß eines Provinzialkapitels entdeckt wurde. Zu dieser Handschrift siehe unten S. 242-247. Teile wurden
bereits ediert von U. Berliere, Documents inedits, S. 92-93.
67 S. Ceglar, Guillaume de Saint-Thierry, S. 312-319. Zum Psalmodieren ebd., S. 313, Z.10: »[...] psalmi
familiäres aliquatenus breuientur [...]«, es folgt eine genaue Auflistung dessen, was weiterhin gesungen
werden soll; zur Liturgie ebd., S. 315, Z. 29-32: »Diuersitas festiuitatum, quae solebat fieri in albis uel
in cappis [...] observabitur, sed in froccis suis cantabunt sicut ad uesperos et matutinos exceptis supra
determinatis festis.« ebd., S. 316-317, Z. 54-57: »Euangelium nocte legatur super analogium sine stola
[...] Feriales processiones quartae et sextae feriae remaneant, praeter in capite ieunii.« ebd., S. 319, Z. 74:
»Quatuor diebus Natalis, Paschae, et Pentecostes, et in duplicibus festis conuentus reuestiatur.« Zum Fas-
ten ebd., S. 315-316, Z. 37-40: »leunium secundum regulam beati Benedicti ab idibus septembris usque
in Pascha in omni die teneatur praeter dominicam. A carnibus omnes abstineant iuxta edictum regulae
praeter omnino debiles et aegrotos. Abbates in cameris absque necessitate congrua non comedant.« Zum
Schweigen ebd., S. 315-316, Z. 40-43: »Ad mensam eorum [abbates] in suis locis silentium teneatur, nisi
congrua necessitas impedierit; et [si] eis possibile fuerit, lectionem habeant. In claustro uero silentium a
toto conuentu teneatur.« ebd., S. 318, Z. 71-72: »Silentium in omnibus locis ad mensam teneatur ab omni-
bus, nisi aliqua necessitas interuenerit.« Zudem gibt es eine Anordnung, die beispielsweise den Gebrauch
von mehreren Kissen verbietet, ebd., S. 318, Z. 73: »A plumis praeter capitale omnes abstineant.«, die
sich mit der Gesandtschaft von Mönchen zu anderen Äbten und deren Bekleidung befasst, ebd., S. 316,
Z. 43-46: »Liceat abbati, si necessitas uel ratio ingruerit, fratrem suum ad quemlibet abbatum mittere,
tantum ei in uestitu prouideat. Si uero paupertas exegerit, abbas ad quem frater ille missus fuerit, uestitum
ei praebeat.« Über die Handarbeit erfährt man aus den Beschlüssen nichts. Lediglich im Brief des Mat-
thäus von Albano wird auf sie verwiesen: ebd., S. 329-330, Z. 236-238: »vel ad agriculturam vel ad ligna
in silvis caedenda et ad cetera opera manuum exercenda exite, quemadmodum multi faciunt [...].« Der
von Ceglar edierte Text erscheint auseinandergerissen und spiegelt sicher nicht den ursprünglichen Auf-
bau des Textes wider. Die Handschrift Douai, BM, ms. 540, fol. 69r/v liefert dagegen einen etwas anderen
Aufbau und zusätzliche Passagen, die den Text vollständiger erscheinen lassen; siehe unten S. 242-247.
Eine ausführliche Analyse der liturgischen Änderungen findet sich bei A. Schmidt, Zusätze als Problem,
S. 97-106.
68 K. Schreiner, Dauer, Niedergang und Erneuerung, S. 327 bemerkt, dass diese Versammlung »sichtlich
unter dem Einfluß von Citeaux« stand.
69 Bernhard von Clairvaux, Opera, Bd. 7, ep. 91, S. 239-241.
 
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