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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0053
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2. Analyse des Forschungsstands | 49

Cluny Ausdruck zu verleihen und die Abhängigkeit einiger Klöster der Gegend
von Farfa zu bekräftigen. Zudem war die Frage der Liturgie in Farfa während des
Investiturstreits eng mit der Anerkennung der päpstlichen oder kaiserlichen Auto-
rität verbunden. Der Liturgie kam somit nicht nur eine wichtige identitätsstiftende
Funktion, sondern auch eine bedeutende Symbolkraft zu.165
Eng mit der Liturgie verbunden ist der Heiligenkult, der um das Grab des Klos-
tergründers oder die Reliquien des Ortsheiligen entstand. Zwanzig weist darauf-
hin, dass gerade im Zusammenhang mit den Reliquien eines Klosters deutlich wer-
de, dass die Heiligkeit einer Gemeinschaft keinesfalls auf den Bereich hinter den
Klostermauern beschränkt war, sondern beispielsweise durch Translationen aus-
gedehnt werden oder sogar verloren gehen konnte.166 Die Heiligkeit des Ortes als
besonderes Merkmal klösterlicher Identität wohnt dem Ort der Gemeinschaft aber
keinesfalls inne, sondern muss, wie Albrecht Diem betont, durch den Gottesdient
und die Lebensweise der Brüder generiert werden.167 Somit hat auch die spezifische
Lebensweise einer Gemeinschaft als Trägerin klösterlicher Identität zu gelten.168
Während die Cluniacensis ecclesia nach Wollasch ihre Identität weniger aus einer
einheitlichen Lebensweise, sondern aus der gemeinsamen Profess schöpfte, änderte
sich dies mit den im 12. Jahrhundert aufkommenden Orden.169 Vor allem die Streit-
schriften lassen erkennen, dass Fragen des alltäglichen Lebens für die Mönche dieser
Zeit zunehmend Ausdruck ihrer Identität wurden:170 Die spezifische Lebensweise
der Gemeinschaften und Orden diente zur inneren Festigung und zur Abgrenzung
nach außen hin.171 Unterschiede im alltäglichen Leben und im Erscheinungsbild
165 Zu Farfa S. Boynton, Shaping; in ähnlicher Weise zu Fleury Dies., Performative Exegesis.
166 C. Zwanzig, Gründungsmythen, S. 28; M. Heinzelmann, Translationsberichte; S. Vanderputten, A Mi-
racle of Jonatus; K. Uge, Creating the Monastic Past zeigt, wie der Maurontuskult von Marchiennes an
das Kanonikerstift von Saint-Amee in Douai überging.
167 A. Angenendt, Die Geschichte der Religiosität, S. 208; A. Diem, Das monastische Experiment; Ders.,
Organisierte Keuschheit; Ders., Monks, S. 547-549.
168 K. Schreiner, Dauer, Niedergang und Erneuerung, S. 295: »Gemeinsames Leben nährt sich aus der Kraft
und Kultur der Erneuerung. Mönchisches Leben findet seine Identität in der gewissenhaften Beobach-
tung der Regel.«
169 J. Wollasch, Mönchtum zwischen Kirche und Welt, S. 155; dazu auch G. Melville, Die cluniacensische
»reformatio«, S. 251; die Lebensweise von Cluny stieß seit den Studien I. Cochelins zu den Gewohn-
heiten Bernhards wieder vermehrt auf Interesse: untersucht wurden die Zeichensprache S. G. Bruce,
Silence and Sign; Ders., Monastic Sign Language; Krankheit R. Cristiani, Integration and Marginaliza-
tion; Ders., Infirmus sum; der Tod F. S. Praxton, Death by Customary; Ders., A Medieval Latin Death;
die Liturgie S. Boynton, The Customaries of Bernhard; M. Huglo, L’office du Dimanche; K. Krüger,
Monastic Customs and Liturgy; C. M. Malone, Interpretation des pratiques liturgiques.
170 Gerade vor diesem Hintergrund sah es K. Elm, Was heißt und zu welchem Ende für gerechtfertigt und
gewinnbringend an, sich mit dem Alltag der Mönche und Klöster zu befassen.
171 G. Melville, »Unitas« e »diversitas«; Ders., Diversa sunt monasteria; Ders., Zur Semantik versucht zu
zeigen, wie der Begriff ordo vom Universalbegriff zum Differenzbegriff wird; J. Leclercq, Diversifica-
tion et identite.
 
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