3. Fragestellung | 71
Gemeinschaften ihr propositum formulierten. In diesem Zusammenhang soll sich
der Blick aber nicht nur auf jene Zeit richten, in der sich Veränderungen fassen
lassen, die auf eine umfassende correctio der Gemeinschaft hindeuten oder in den
Quellen explizit als solche bezeichnet werden, sondern auch auf alle übrigen Texte,
die an die »ursprünglichen« Ideale der Gemeinschaft erinnern. Welche Bedeutung
kommt diesen Texten zu und inwiefern stehen auch sie im Zusammenhang mit einer
correctio!
Befasst man sich mit dempropositum dieser Gemeinschaften, wird auch die Fra-
ge zu stellen sein, wie spezifisch oder unspezifisch dieses formuliert wurde. Gelingt
es zu zeigen, dass das propositum einer Gemeinschaft einen besonders großen In-
terpretationsspielraum aufweist, lassen sich wichtige Erkenntnisse in Hinblick auf
die Umsetzung einer correctio gewinnen. Eng damit verbunden ist die Frage nach
dem Verhältnis zwischen dem erinnerten propositum, der Regula Benedicti und
den Consuetudines von Cluny - nach Melville also den normativen Verhaltens-
strukturen und der Organisation. Genauer gesagt: Welche Rolle spielen die Regula
Benedicti und die Consuetudines von Cluny für diese Gemeinschaften?
Ein Vergleich der proposita unterschiedlicher Gemeinschaften, die in der For-
schung unter der Kategorie »traditioneller benediktinischer Klöster« rangieren,
zielt darauf ab, zu zeigen, dass diese Klöster, auch wenn sie sich an der Regula
Benedicti orientierten, ihren jeweils eigenen Weg zu einem gottgefälligen Leben
beschritten. Gerade in der Zeit des frühen 12. Jahrhunderts, in der die Vielfalt aber
auch die Offenheit des Mönchtums besonders deutlich zu Tage tritt und sich eine
gegenseitige Abgrenzung der spezifischen monastischen Lebensweisen noch nicht
fassen lässt, ist daher die Frage zu stellen, ob eine Unterscheidung in »traditionelle
Benediktinerklöster«, »Reformklöster« oder »der Reform zugewandten traditio-
nellen Benediktinerklöster« überhaupt sinnvoll ist. Stattdessen soll gezeigt werden,
dass das Mönchtum jener Zeit weit offener und durchlässiger war, als oft angenom-
men wurde.
3.3. Correctio und Filiationsmodell
Vor allem ab dem 11. Jahrhundert sah man in der Forschung die correctiones von
Klöstern in größeren Zusammenhängen, als Teil großer »Reformbewegungen«, die
man durch die formellen oder informellen Verbindungen zwischen den Klöstern
zu fassen glaubte.281 Aber bereits Wollasch hat darauf hingewiesen, dass das sehr
281 I. Rose, Les moines et leur vie, S. 35.
Gemeinschaften ihr propositum formulierten. In diesem Zusammenhang soll sich
der Blick aber nicht nur auf jene Zeit richten, in der sich Veränderungen fassen
lassen, die auf eine umfassende correctio der Gemeinschaft hindeuten oder in den
Quellen explizit als solche bezeichnet werden, sondern auch auf alle übrigen Texte,
die an die »ursprünglichen« Ideale der Gemeinschaft erinnern. Welche Bedeutung
kommt diesen Texten zu und inwiefern stehen auch sie im Zusammenhang mit einer
correctio!
Befasst man sich mit dempropositum dieser Gemeinschaften, wird auch die Fra-
ge zu stellen sein, wie spezifisch oder unspezifisch dieses formuliert wurde. Gelingt
es zu zeigen, dass das propositum einer Gemeinschaft einen besonders großen In-
terpretationsspielraum aufweist, lassen sich wichtige Erkenntnisse in Hinblick auf
die Umsetzung einer correctio gewinnen. Eng damit verbunden ist die Frage nach
dem Verhältnis zwischen dem erinnerten propositum, der Regula Benedicti und
den Consuetudines von Cluny - nach Melville also den normativen Verhaltens-
strukturen und der Organisation. Genauer gesagt: Welche Rolle spielen die Regula
Benedicti und die Consuetudines von Cluny für diese Gemeinschaften?
Ein Vergleich der proposita unterschiedlicher Gemeinschaften, die in der For-
schung unter der Kategorie »traditioneller benediktinischer Klöster« rangieren,
zielt darauf ab, zu zeigen, dass diese Klöster, auch wenn sie sich an der Regula
Benedicti orientierten, ihren jeweils eigenen Weg zu einem gottgefälligen Leben
beschritten. Gerade in der Zeit des frühen 12. Jahrhunderts, in der die Vielfalt aber
auch die Offenheit des Mönchtums besonders deutlich zu Tage tritt und sich eine
gegenseitige Abgrenzung der spezifischen monastischen Lebensweisen noch nicht
fassen lässt, ist daher die Frage zu stellen, ob eine Unterscheidung in »traditionelle
Benediktinerklöster«, »Reformklöster« oder »der Reform zugewandten traditio-
nellen Benediktinerklöster« überhaupt sinnvoll ist. Stattdessen soll gezeigt werden,
dass das Mönchtum jener Zeit weit offener und durchlässiger war, als oft angenom-
men wurde.
3.3. Correctio und Filiationsmodell
Vor allem ab dem 11. Jahrhundert sah man in der Forschung die correctiones von
Klöstern in größeren Zusammenhängen, als Teil großer »Reformbewegungen«, die
man durch die formellen oder informellen Verbindungen zwischen den Klöstern
zu fassen glaubte.281 Aber bereits Wollasch hat darauf hingewiesen, dass das sehr
281 I. Rose, Les moines et leur vie, S. 35.