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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0080
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76 | 4. Die Grafschaft Flandern

zum Teil im 10. und 11. Jahrhundert geschaffen wurden, erhielten sie ab der Herr-
schaft Graf Roberts I. eine besondere Dynamik.
Die Herrschaft Roberts I. war aber, wie die zeitgenössischen Texte klar zu er-
kennen geben, alles andere als unumstritten, da sie auf Eidesbruch basierte und
somit, wie Hermann meinte, mit einem folgenschweren Fluch behaftet gewesen
sei.295 Wie konnte es dazu kommen?
Im Zuge seiner nach Westen orientierten Expansionspolitik gelang es Graf Bal-
duin V., 1049 den Hennegau in seinen Machtbereich zu integrieren und 1051 seinen
gleichnamigen Sohn, den späteren Balduin VI., mit Gräfin Richild vom Hennegau
zu verheiraten, womit die Vereinigung beider Grafschaften bekräftigt werden soll-
te.296 Balduins zweiter Sohn Robert hingegen wurde 1063 nach Friesland verheira-
tet und musste sich mit einem Eid zu Loyalität gegenüber seinem Bruder und der
Grafschaft Flandern verpflichten.297 Diesen Eid habe Robert, nach dem Zeugnis
Galberts von Brügge, noch einmal wiederholt, als sein Bruder Balduin VI., der seit
1067 auch über Flandern herrschte, 1070 im Sterben lag, um die Herrschaft seines
Sohnes Arnulf zu sichern.298 Doch Robert brach den geleisteten Eid, fiel in Flandern
ein, tötete seinen Neffen in der Schlacht bei Cassel 1071 und vertrieb Richild aus
Flandern.299 Roberts Weg zur Herrschaft hing somit der Makel der Unrechtmäßig-
keit an. Dies hatte zur Folge, dass er seine Stellung in besonderem Maße legitimie-
ren musste.
Als Graf von Flandern führte Robert der Friese eine Politik, die einerseits gegen
den englischen König gerichtet war und die Unterstützung des französischen Kö-
nigs fand, und andererseits Stellung gegen den Kaiser bezog.300 Besonders deutlich
wird letzteres in Roberts Kirchenpolitik und genauer gesagt in der Trennung des
Doppelbistums Cambrai-Arras 1093/94. Mit päpstlicher Unterstützung gelang es
dem Grafen, ein eigenständiges flandrisches Bistum zu errichten, und damit den
kaiserlichen Einfluss auf das einstige Reichsbistum Cambrai-Arras zu unterbin-
295 Wie unterschiedlich das Urteil über Robert I. bei Mönchen und Klerikern ausfiel, zeigt das Beispiel der
benachbarten Gemeinschaften von Saint-Bertin und Saint-Omer. Während der in Saint-Omer verfasste
Liber Floridas in seiner Genealogia comitum Flandriae, c. 3, S. 310, c. 7, S. 311 Robert den Friesen
regelrecht verteufelt, fällt das Urteil des zur selben Zeit schreibenden Simon von Saint-Bertin, Gesta ab-
batum, c. 22, S. 641 gemäßigter aus. Aber auch Simons Text lässt durchscheinen, dass seine Gemeinschaft
eher Abstand von Graf Robert I. nahm.
296 Vgl. dazu Th. de Hemptinne, Artikel »Robert I. der Friese«; Dies, Vlaanderen en Henegouwen, S. 372-
377; Ch. Verlinden, Robert Ier le Frison.
297 Hermann, Liber, c. 12, S. 49-50; W. Mohr, Richilde vom Hennegau bemerkt, dass Robert I. nach dem
Tod seines Vaters auf eine Erbteilung aus war, diese aber, nachdem er an die Macht gekommen war, selbst
nicht umsetzte. Zu den Eiden vgl. Ch. Verlinden, Robert Ier le Frison, S. 40-46.
298 Galbert, De multro, c. 68, S. 120; vgl. dazu auch Ch. Verlinden, Robert Ier le Frison, S. 40-46.
299 Ch. Verlinden, Robert Ier le Frison, S. 46-70.
300 Zu den Beziehungen zwischen Robert L und Frankreich und dem Reich vgl. Ch. Verlinden, Robert Ier
le Frison, S. 73-106, zu England, ebd., S. 107-112.
 
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