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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0111
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2. Die correctio von Saint-Bertin | 107

schicken.460 Mit Lamberts Rückkehr wäre somit jene Bestimmung erfüllt, die den
genannten gräflichen Urkunden zu entnehmen ist, nämlich den Abt von Sithiu durch
einen Cluniazenser zu ersetzen, um der correctio der Gemeinschaft Dauerhaftigkeit
zu verleihen. Der Abt von Cluny - aber sicher auch das Grafenhaus - dürften ein
besonderes Interesse daran gehabt haben, dass Lambert erneut das Amt des Abtes
bekleidete, war er doch schließlich mit der Gemeinschaft von Sithiu und ihrem sozia-
len und politischen Umfeld bestens vertraut. Nicht zuletzt darf aber auch Lambert
selbst ein gewisses Maß an Kalkül und Taktik nicht abgesprochen werden. Durch
die Profess in Cluny konnte er schließlich nicht nur die correctio seiner Gemein-
schaft in die Wege leiten, sondern zugleich sein Amt als Abt sichern. Der durchweg
geheime Charakter der gesamten Aktion unterstreicht diesen Eindruck noch.461
Simon weiß nämlich zu berichten, dass die Mönche auch bei der Rückkehr Lam-
berts im Ungewissen gehalten wurden. So versammelten sie sich im Kapitelsaal und
wollten von ihrem zurückgekehrten Abt wissen, ob er in Cluny die Profess abgelegt
habe. Da Lambert hierauf keine Antwort gab, erklärten einige Mönche lautstark,
sie würden ihm den Gehorsam verweigern und ihn nicht mehr als ihren Abt aner-
kennen, wenn er weiterhin schweige. Doch statt zu antworten, habe Lambert den
Kapitelsaal verlassen und sogleich seien die milites des Klosters mit Schwertern
bewaffnet von allen Seiten in den Saal eingedrungen. Mit Gewalt ergriffen sie die
aufrührerischen Mönche, entfernten sie aus dem Kloster und sperrten sie verteilt
in verschiedenen Klöstern der Gegend ein.462 Erst hierauf seien einige Cluniazen-
ser nach Sithiu gekommen und hätten ihr frommes Werk begonnen. Diese Episo-
de zeigt noch einmal, dass Lamberts Profess und Rückkehr sehr wohl berechnet
waren. Der Einsatz bewaffneter Männer bei der Entfernung der widerspenstigen
Mönche lässt zudem vermuten, dass sich das Grafenhaus wie auch in anderen Fällen
tatkräftig an dieser Aktion beteiligte.463

460 L. d’Achery, Spicilegium, III, S. 408: »[...] rogatus a nobis propriam compulsus est repetere Abbatiam,
ea scilicet intentione, ut in nostra obedientia quamdiu vixerit devote permaneat, et ut Monachus noster
ac professus ab omni Congregatione ametur et excolatur.«
461 Vgl. dazu auch S. Vanderputten, Abbatial Leadership, S. 50, 57.
462 Simon, Gesta, II, c. 66, S. 648: »Venienti pars conventus maxima debitam reverentiam noluerunt exhi-
bere; pauci tarnen ei obviam exiere. In crastino eum convenerunt, si illi nolle obedire, nisi negaret aut
asseret. Ille autem ab aspectibus se subripiens, clam convocatis militibus suis cum gladiis, illis ex impro-
viso supervenit, rebelles cepit et in diversis aecclesiis dispersos inclusit.«
463 Vgl. Die correctiones von Bergues-Saint-Winnoc, Sint-Pieters in Gent, Saint-Vaast, u. a. siehe dazu un-
ten S. 178-192. Dennoch ist im Falle Saint-Bertins die Rede von den militibus suis, was aber durchaus
impliziert, dass der Graf, wenngleich er nicht persönlich beteiligt war, seine Zustimmung zu dieser Tat
gegeben haben könnte.
 
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