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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0152
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148 | I. Die Abtei von Saint-Bertin

einmal zeigt, dass eben dies ein schwerwiegendes Kriterium bei seiner Wahl zum
Abt gewesen sein dürfte.644
Die Beispiele des Vicariats Simons und des frühen Abbatiats Johannes’ II. zei-
gen, welch großen Einfluss die Cluniazenser auf die Mönche von Sithiu ausübten,
obgleich sie keine zentralen Funktionen in der Gemeinschaft innehatten. Eine Mög-
lichkeit, um Einfluss zu üben, war die Drohung. Als solche darf man die Reaktion
der Cluniazenser werten, die nach der Wahl Simons zum Vicarius aus Protest die
Gemeinschaft verlassen hatten und die besagte Forderung stellten. Der Inhalt der
Drohung liegt zwar im Dunkeln, besonders naheliegend wäre es allerdings mit dem
Abzug der übrigen Cluniazenser, das heißt auch der »flandrisch-cluniazensischen«
Professmönche zu drohen, falls man ihrer Forderung nach der Absetzung Simons
nicht entsprechen würde.
In diesem Zusammenhang stellt sich freilich die Frage, wieso die Präsenz der
Cluniazenser in der Gemeinschaft derart wichtig war, dass allein das Drohen mit
ihrem Abzug zu ungeahnten Folgen führte. Ein erstes Mal wurde die Präsenz der
Cluniazenser in Sithiu 1112 in Frage gestellt. Damals war es Pontius, der Lambert
mit dem Abzug der Professmönche drohte, falls nicht alle Prioren der Abtei die
Profess in seine Hände ablegten. Nach Simons Darstellung gelang es Lambert, die
entsprechenden Mönche zu diesem Schritt zu überreden. Nur die energische Inter-
vention des Kastellans von Saint-Omer konnte dies verhindern.645
In dieser Situation werden zwei ganz unterschiedliche Auffassungen von der
Präsenz der Cluniazenser in Sithiu sichtbar: Für den Kastellan von Saint-Omer war
ihre Präsenz keinesfalls wichtiger als die Freiheit der Abtei. Will man ihm keine
Gleichgültigkeit gegenüber der frommen Lebensweise in Saint-Bertin unterstellen,
lässt sich seine Reaktion eigentlich nur dahingehend erklären, dass er die Präsenz
der Cluniazenser nicht mehr für zwingend notwendig hielt.646 Für Lambert war
die Gegenwart der Cluniazenser dagegen sichtbares Zeichen für den Erfolg seiner
correctio. Gut zehn Jahre nach deren Ankunft in Sithiu dürfte ihre Vorbildfunk-
tion nicht mehr von zentraler Bedeutung gewesen sein. Ihr Abzug, der auch die
»flandrisch-cluniazensischen« Professmönche betroffen hätte, wäre somit nicht
nur mit dem persönlichen Scheitern Lamberts gleichzusetzen, sondern hätte auch
der Stellung der Abtei geschadet. Neben ihrem guten Ruf, der sicherlich mit der
cluniazensischen Lebensweise in Verbindung stand, hätte die Abtei eventuell auch
644 Simon, Gesta, II, c. 110, S. 658: »Sed praemunitus hominum suorum consilio [...].« Bereits seine Wahl
erhielt die Unterstützung des Grafen: ebd., c. 108, S. 657: »[...] coadunatis undecunque fratribus et
comite cum presule accersito [...].«
645 Simon, Gesta, II, c. 93, 94, S. 653-654.
646 Gerade beim niederen Adel und der Ministerialität war die Lebensweise Clunys besonders gefragt; siehe
dazu oben S. 52.
 
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