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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0176
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172 | I. Die Abtei von Saint-Bertin

Urkunden des frühen 12. Jahrhunderts in Flandern und Lothringen mit dem Auf-
kommen der cluniazensischen Lebensweise in den dortigen Klöstern.757
Für Saint-Bertin lässt sich für die Zeit der correctio unter Abt Lambert in der
Tat eine Häufung von Schenkungsurkunden feststellen.758 Während die meisten Ur-
kunden formelhaft auf das Seelenheil des Stifters oder seiner Angehörigen verwei-
sen, wird in einigen bischöflichen Urkunden etwas genauer verfahren. So übertrug
Bischof Lambert von Tournai Abt und Mönchen Altäre und zwar ad remissio-
nem peccatorum nostrorum nostrumque anniversarium.7^ Bischof Johannes von
Therouanne stiftete die Kapelle des Eggafrid den Mönche pro remedio anime mee.
Die Mönche des dort gegründeten Priorats sollten zudem den Jahrtag des Bischofs
begehen und zwar mit einer Armenspeisung und der Reichung von Wein. Ferner
sollten sie für die verstorbenen Kleriker aus Therouanne eine Messe lesen. Auch ihr
Jahrtag sollte in Saint-Bertin notiert werden, damit er jährlich begangen werde.760
Ganz ähnlich verfuhr Bischof Johannes, als er die Kirche von Warneton, in der seine
Eltern begraben lagen, an Sithiu übertrug, um dort ein Priorat zu gründen. Diese
Übertragung sollte zu seinem und seiner Eltern Seelenheil dienen.761
Die genannten Beispiele zeigen, dass die Mönche aus Saint-Bertin durchaus als
»Spezialisten« für das Totengedenken angesehen wurden und, wie die Gründungen
von Prioraten zeigen, durchaus gefragt waren. Armenspeisung, Seelenmesse, Ein-
trag in das Totenbuch und Garantie für die Begehung des Jahrtages sind Praktiken,
die in der Forschung meist mit Cluny in Verbindung gebracht werden, aber eigent-
lich Grundpfeiler des christlichen Mönchtums darstellen.762 Der Hinweis auf diese

757 J. A. Bijsterveld, In mei memoriam.
758 Siehe dazu oben S. 152-171.
759 B. Guerard, Cartulaire, S. 230.
760 B. Guerard, Cartulaire, S. 233 -234: »Ego Johannes, Dei gratia, Morinorum episcopus, notum fieri volo
me, abbatis sancti Bertini, Lamberti nomine, precibus inclinatum, Eggafridi capellam, tum pro remedio
anime mee, tum pro fratrum devotione, ipsis fratribus concessisse; ita sane ut nulli successorum meorum
hanc nostram concessionem liceat infringere vel diminuere, sed fratres, quiete et sine molestia qualibet
predictam ecclesiolam possidentes, pro me omnipotentis Dei misericordiam non pigeat exorare. Preterea
statuimus ut anniversario meo fratribus de eadem ecclesiola refectio, cum administratione vini, prepa-
retur, et pro clericis Taruannensis ecclesie, dum obierint, offitium fieri, et anniversarium diem eorum
apud sanctum Bertinum annotari singulisque annis celebrari, salvo utique annuo censu Taruannensis
episcopi.« Zum Priorat an der Eggafried-Kapelle vgl. den Fall Idesbalds: siehe oben S. 167.
761 B. Guerard, Cartulaire, S. 238-239: »[...] notum fieri volo tarn presentibus quam futuris quod ecclesiam
de Guarnestun, pro remissione peccatorum meorum, et patris mei et matris mee, ibidem requiescentium,
ecclesie sancti Bertini concessi et dedi, quatinus ab abbate sancti Bertini monaci, qui Deo in predicata ec-
clesia de Warnestun, sub precepto et obedientia ipsius serviant, in perpetuum constituantur. Ad susten-
tationem eciam fratrum monacorum, qui in eadem ecclesia de Warnestun Deo servituri sunt, ecclesiam
de Haveskerke concessi et dedi.«
762 J. Wollasch, Konventsstärke und Armensorge; Ders., Hugues Ier et la memoire des morts; D. logna-Prat,
Les morts tres speciaux aux morts ordinaires.
 
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