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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0194
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190 | I. Die Abtei von Saint-Bertin

und somit zu grundlegenden Idealen, die vor allem den Geist des monastischen
Lebens umschreiben.
Dass gerade die beiden ersten correctiones - jene von Auchy und von Bergues -
von Äbten vorangetrieben wurden, die in Cluny die Profess abgelegt hatten, hing
sicherlich nicht damit zusammen, dass sie durch ihre Schulung in Cluny den dorti-
gen Ordo in den jeweiligen Gemeinschaften besonders gut zur Umsetzung bringen
konnten, sondern damit, dass sie durch ihre Profess in Cluny eine Lebensweise
repräsentierten, die besonders renommiert und von den Zeitgenossen als novitas
empfunden wurde.813 Nach dem 1112 ausbrechenden Konflikt mit Cluny ist in
Simons Darstellungen von correctiones weder die Rede von cluniazensischen Pro-
fessmönchen noch vom ordo cluniacensis, sondern lediglich von den Mönchen oder
der »Blüte« Sithius, was auf deren besondere Eignung für diese Aufgabe hinweist.
Bereits der Befund, dass fast alle fünf Beispiele einem sehr ähnlichen Muster
folgen, weist darauf hin, dass Simon bei diesen Beispielen sicherlich eine bewusste
Auswahl getroffen hatte und nicht alle Fälle anführte, in denen Mönche aus Saint-
Bertin an der correctio von Gemeinschaften beteiligt waren.814
Betrachtet man die fünf Klöster etwas genauer, lassen sich zahlreiche Parallelen
zu der von Simon beschriebenen correctio von Saint-Bertin selbst ziehen.815 Wie
in Sithiu war in allen Fällen die Rede von inneren Konflikten, die auf eine Ab-
kehr von wichtigen monastischen Idealen zurückzuführen war. Wie in Saint-Bertin
konnte eine correctio zunächst durchaus positive Folgen haben, aber dann, wie vor
allem das Beispiel von Bergues zeigt, nach einiger Zeit in das genaue Gegenteil um-
schlagen, wenn erneut Hass und Zwietracht Einzug in die Gemeinschaften hielten.
Simon führt dem Leser dieser fünf Beispiele somit Situationen vor Augen, die nicht
nur die positiven und negativen Folgen einer correctio veranschaulichen, sondern
Versatzstücken gleichen, die auf den Verlauf der correctio von Saint-Bertin selbst
verweisen.
Bei der Auswahl der fünf Fälle spielten für Simon schließlich auch Fragen der
Hierarchie innerhalb der flandrischen Klosterlandschaft eine nicht unwichtige
813 Vgl. Simon, Gesta, II, c. 68, S. 649: »Novitas enim et fervor religionis plurimos incitaverat.«
814 So wird beispielsweise aus dem Patroci.ni.um Galberts von Marchiennes ersichtlich, dass Mönche aus
Saint-Bertin an der correctio des Klosters beteiligt waren. Marchiennes wird bei Simon aber nicht zu
jenen Klöstern gezählt, die eine correctio durch Mönche aus Sithiu erfahren hatten; siehe dazu unten
S. 240. Ebenso sucht man in Simons Gesta einen Hinweis auf die correctio von Anchin unter Abt Alvisus
vergeblich.
815 Als Beispiel sei hier lediglich das Grundmuster genannt, bestehend aus dem Widerstand der Mönche,
dem Hilfegesuch des Abtes, der Hilfe durch den Graf, den Bischof und Abt Lambert, der Flucht der
Unbeugsamen, desm Eintritt der Gottesfürchtigen, der Besserung der Situation. Im Falle von Bergues ist
im Eintritt der neuen Mönche, die später Schwierigkeiten bereiten sollten, eine klare Parallele zu Saint-
Bertin zu sehen. Auch der Eid des Hermes ist eine Parallele zu jenem Eid, den Abt Lambert vor seiner
Abreise nach Cluny ablegen musste, und der ebenfalls zahlreiche Schwierigkeiten zur Folge hatte.
 
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