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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0197
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4. Simons Gesta abbatum als Überrest der correctio | 193

von Abt Lambert den Auftrag, über die Taten der Äbte von Saint-Bertin zu schrei-
ben. Im Kloster habe sich aber Widerstand geregt, als es darum ging die »Tugenden
der väterlichen Weisheit« niederzuschreiben, womit der Chronist nichts anderes als
die Führung Lamberts umschreibt. Er bemerkt darüber hinaus, dass diese Mönche
das väterliche Erbe der weltlichen Ehre wegen oder in der Hoffnung auf eine vor-
übergehende Nachfolge ergreifen wollten.826 Es zeuge von großer Dummheit und
sei ein noch weitaus ungerechterer Trug, von den Wegen der vorherigen Äbte durch
eine maßlose Müßigkeit der Seele abzuweichen. Diese Äbte seien nämlich nicht nur
durch ihre Tugenden und Fähigkeiten, sondern auch durch den Eifer der Seele und
die Schärfe des Geistes nachahmenswert.827 Neben Abt Lambert, der diese Tugen-
den verkörpere, treffe dies auch auf seine Vorgänger im Hirtenamt zu.828 Simon
habe sich daher daran gemacht, deren Taten niederzuschreiben und die aus ihrer
Zeit erhaltenen Urkunden dem Text beizufügen. Als Vorbild habe ihm die Kloster-
chronik des Folcuin gedient, der die Reihe der Äbte von Bertinus bis Adalolf nach-
gezeichnet hatte. Da über die Nachfolger des letzteren bis hin zu Abt Rodericus
keine schriftlichen Zeugnisse vorlägen, lässt Simon diese Äbte aus und beginnt sein
erstes Buch mit Abt Rodericus und endet mit dem Tod Abt Johannes’ I.829
Die Tatsache, dass Simon den Abbatiat seines Lehrers Lambert nicht themati-
sierte, mag zunächst wenig verwundern, da es - wie andere Beispiele zeigen - wenig
üblich war, noch zu Lebzeiten eines Abtes über dessen Amtszeit zu schreiben.830
Im Falle der Gesta liefert Simon allerdings eine für die Datierung des ersten Buchs
826 Simon, Gesta, Prologus, S. 635: »Cum indicens sit et iniustum, pater amantissime, filios, ius paternae
hereditatis re mortalis gloriae vel spe successionis transitoriae affectantes, paternae prudentiae nolle
imbui virtutibus, [...].«
827 Simon, Gesta, Prologus, S. 635: »[...] multo imbecillius est iustiorisque calumpniae, ab eorum vestigiis
quadam animi desidia exorbitando deviare, quos non solum facit imitabilies innata mentis virtus et
probitas, verum etiam tarn ex industria animi quam ex sagacitate ingenii aecclesiastica approbat non
spernenda auctoritas.«
828 Simon, Gesta, Prologus, S. 635: »Hos, inquam, post vos ad emulationem proponendos censui, quos pro
eorum spectata virtute antecessores in pastorali regimine habuistis.«
829 Simon, Gesta, Prologus, S. 635: »Quorum etiam gestis breviter summatimque descriptis, kartas nichil-
lominus separatim in uno volumine a mea exiguitate describi voluistis, quas tarn principum quam diver-
sorum presulum auctoritate, ad utilitatem devitandae controversiae vel pacis continuae, de traditionibus
et diversis fidelium commutationibus vel de qualicumque utilitate aecclesiae posteris confirmatas reli-
querunt, ut futurorum incuria, cognita eorum vivaci industria, memoriale bonorum operum non lateret
in secula. [...] Imitans quendam loci huius coenobitam Folquinum nomine, qui iussu sui abbatis pene
omnium huius coenobii rectorum a tempore sanctissimi patris nostri Bertini invicem sibi succedentium
usque ad tempus domni Adalolfi, qui in cathalogo 28. ponitur, compendiose Gesta cartasque digessit.«
Zu Simons Aussage, er habe keine Informationen zu den Äbten vor Rodericus gefunden, vgl. S. Vander-
putten, Individual Experience.
830 Hermann, Liber, Epistola, S. 33 schreibt über die erste Generation des Klosters erst auf Bitten der Brü-
der, da er sich nicht des Vorwurfs der Schmeichelei schuldig machen wollte; Guibert von Nogent lässt in
seinen Monodiae ebenfalls den eigenen Abbatiat aus. Und schließlich schweigt Simon von Saint-Bertin
in seinem zweiten Buch der Gesta abbatum selbst über seinen eigenen Abbatiat.
 
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