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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0199
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4. Simons Gesta abbatum als Überrest der correctio | 195

Dass das erste Buch der Gesta eine didaktisch belehrende Funktion besaß, wird
gleich zu Beginn im Prolog klar benannt. Die Gesta abbatum sollten, wenngleich
der Abbatiat Lamberts ausgelassen wurde, den Mönchen und künftigen Genera-
tionen am Beispiel der bewegten Geschichte des eigenen Klosters vor Augen füh-
ren, welche Tugenden und Ideale nicht nur der Abt der Gemeinschaft, sondern
jeder Mönch zu befolgen hatte.835 Es ist daher anzunehmen, dass Simon bei der
Auswahl der Ereignisse und darzustellenden Ideale oder Missstände ganz bewusst
auf die gegenwärtige Situation im Kloster anspielte.836 Vanderputten hat inzwi-
schen gezeigt, dass Simons Auslassung einiger sehr bedeutender Äbte, über die in
der Abtei sehr wohl Informationen vorgelegen haben müssen, bewusst vorgenom-
men wurde, da ihre Amtsführung und genauer gesagt ihre Verwicklung mit der
Welt nicht in das Bild passten, das Simon von einem guten Abt zeichnen wollte und
somit der correctio Abt Lamberts zuwidergelaufen wäre.837 Es wird daher zunächst
notwendig sein, die im ersten Buch behandelten Abbatiate zu analysieren und dabei
auf ihre besondere Vorbildfunktion zu achten.
An erster Stelle der Gesta abbatum Simons steht Rodericus, der 32. Abt von
Sithiu, dessen Abbatiat ganz im Zeichen einer correctio stand: Als die Mönche von
Saint-Bertin nämlich aufgrund der großen Nachlässigkeit Abt Heimfrieds von der
Regelobservanz abgewichen waren und sich gegen diesen erdreistet hatten, habe
Graf Balduin 1021 einen Mönch aus Arras namens Rodericus nach Sithiu geholt und
ihn gegen den Willen der dortigen Brüder als Abt eingesetzt.838 Da aber, wie Simon
bemerkt, die menschliche Ungleichheit des Geistes durch die lange Gewohnheit
tief verwurzelt war, konnte sie mit Tadel nicht leicht ausgerissen werden. Da sich
die Mönche aber nicht aus freiem Willen verbessern wollten, seien sie vom gött-
lichen Tadel getroffen worden.839 Gott habe das Kloster, das zu einer Räuberhöhle
835 Simon, Gesta, Prolog, S. 635: »[...] multo imbecillius est iustiorisque calumpniae, ab eorum vestigiis qua-
dam animi desidia exorbitando deviare, quos non solum facit imitabiles innata mentis virtus et probitas,
verum etiam tarn ex industria animi quam ex sagacitate ingenii aecclesiastica approbat non spernenda
auctoritas. [...] Tanto namque unaqueque virtus clarior redditur, quanto eadem maiorum exemplo vel
industria ad utilitatem futurorum studiosius commendatur.«
836 K. Uge, Creating the Monastic Past, S. 50-94 zeigt eben dies für Folcuins Chronik und weist darauf hin
(S. 89), dass auch Simons Gesta unter einem vergleichbaren Licht zu sehen seien.
837 S. Vanderputten, Individual Experience.
838 Simon, Gesta, I, c. 1, S. 636: »Qui post excessum predecessoris sui abbatis Heimfridi, dum fratres loci
huius antecessorum inconsiderata nimis remissione a rectitudine regularis normae deviantes tumultu-
ando insolescerent, a Balduino comite, qui ob magnitudinem virium suarum Magnus vel ad distantiam
antecessorum suorum equivocorum ob proceritatem barbae Barbatus dictus est, ab Attrebato, unde mo-
nachus erat, adductus anno 1021 dominicae incarnationis, invitis et contradicentibus fratribus, nonnullis
etiam recedentibus, hoc in loco abbas constituitur.«
839 Simon, Gesta, I, c. 1, S. 636: »Suscepto igitur hoc modo curae pastoralis regimine, id ad quod venerat
diligenter exequitur. Sed quoniam radicata longa consuetudine, acsi innata foret, mentis iniquitas huma-
na nequiverat correptione facile evelli, factum est, ut, qui in melioratione nostri noluimus esse ultronei,
 
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