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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0249
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die nur äußerst wenige Gebrauchsspuren aufweist. Lediglich einige kleinere Be-
merkungen am Rande sind diesbezüglich zu nennen. Die zahlreichen ebenfalls am
Rande aufgezeichneten Notandumzeichen und Christogramme dürften dagegen
weitgehend aus der Textvorlage übernommen worden sein. Hierfür spricht zum
einen ihre uniforme Gestaltung und zum anderen, dass sie zum Teil mit demsel-
ben Farbton rubriziert wurden wie die Kapitelüberschriften. Die Handschrift der
Consuetudines von Cluny scheint somit einen eher dokumentarischen Charakter
besessen zu haben. Dies bedeutet aber nicht, dass der ordo cluniacensis oder Teile
davon in Marchiennes nicht doch umgesetzt wurden.1025
Ganz anders verhält es sich mit dem Text auf Folio 69, der, wie Volk bemerkt,
»teilweise so abgegriffen ist, daß kaum ein Buchstabe zu erkennen war.«1026 Auch
wenn in diesem Befund freilich noch lange kein eindeutiger Beweis für einen Ge-
brauch dieses Textes in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts gesehen werden darf,
zeigt er doch, dass dieser Text und vor allem die Verbrüderung mit den übrigen
Gemeinschaften in Marchiennes wohl durchaus eine gewisse Bedeutung hatte.
Es ist somit anzunehmen, dass auch die Abtei von Marchiennes, obgleich ihr
Name nicht unter den 19 bekannten Abteien der societas rangiert, ab einem gewis-
sen Zeitpunkt ebenfalls zu dieser gehörte.
Die Chronik von Lobbes berichtet diesbezüglich im Übrigen, dass der fervor
religionis in jener Zeit nahezu alle Klöster erfasste, und dass vor allem Alvisus von
Anchin aktiv dazu beigetragen habe.1027 Für eine Verbreitung dieser Bestimmungen
spricht zudem die Handschrift aus Saint-Martin in Tournai, da dieses Kloster 1131
ebenfalls nicht am Generalkapitel teilgenommen hatte.1028 Dass auch hier die Abtei
von Anchin eine wichtige Mittlerfunktion eingenommen haben könnte, machen
ihre engen Beziehungen zu Saint-Martin mehr als wahrscheinlich.1029 Glaubt man
der Chronik von Lobbes, wollten die abbates comprovinciales und insbesondere
Alvisus von Anchin die Gewohnheiten von Cluny in den Klöstern der Gegend ein-

1025 Siehe dazu oben S. 40-43.
1026 P. Volk, Der Rezeß eines Provinzialkapitels, S. 381.
1027 Gesta abbatum Lobbiensium, c. 20, S. 323; siehe dazu unten S. 504-508.
1028 Dass Marchiennes und Saint-Martin in Tournai 1131 nicht Teil der societas waren, bedeutet frei-
lich nicht, dass sie dieser eventuell später nicht noch beigetreten sein könnten. Zudem weist bereits
S. Ceglar, Guillaume de Saint-Thierry et son röle directeur, S. 316, Anm. 47-53 daraufhin, dass wohl
nicht alle teilnehmenden Äbte in der Liste aus Saint-Martin in Tournai aufgeführt worden waren.
1029 Hermann von Tournai, Liber, c. 55, S. 97: »Annuit religiosus abbas statimque de suis monachis in
cenobio nostro priores instituens ac de nostris Aquicinctum secum ducens, libenter nobis conlaborat
et tarn ipse quam fratres, in famulatu ut servi. Unde pre ceteris comprovincialibus cenobiis maiorem
semper familiaritatem erga Acquicinenses habuimus, ita ut communia sint omnia nostra tarn intrinsecus
quam extrinsecus, et quicquid agimus pro fratribus nostris vivis vel defunctis, hoc pro illis nos agere
concesserimus idemque reciproca vicissitudine ab eis accipiamus.«
 
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