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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0265
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4. Veränderungen in den Besitz-und Herrschaftsstrukturen | 261

ms. 853 und ms. 134 lassen sich außerdem personalisierte Listen der Zinspflichtigen
des Klosters finden, die allerdings wohl ein halbes Jahrhundert nach der Histoire-
Polyptyque entstanden sein dürften.1092
Das Polyptychon beginnt seine Auflistung mit dem Besitz in und um Mar-
chiennes. Die nachfolgenden Einträge lassen ein simples Ordnungsmuster erken-
nen, das durch die räumliche Distanz der Dörfer und Weiler vorgegeben ist. So
werden erst die Dörfer in der unmittelbaren Nähe des Klosters aufgeführt, dann
die im Ostrevent gelegenen Orte und schließlich jene der La Bassee. Die Einträge
der letztgenannten Gruppe wurden in der Handschrift Douai, BM, ms. 850, wie
Delmaire zeigen konnte, von einer zeitgenössischen Hand nachgetragen.1093
Besonders interessant ist der Befund, dass das Polyptychon auch einige Besit-
zungen der heiligen Rictrud aufführt, die bereits seit längerer Zeit nicht mehr im
Besitz des Klosters waren. So bemerkt der Verfasser beispielsweise, dass der in der
Nähe des Klosters gelegene Besitz von Warlaing von einer unklugen Äbtissin an ei-
nen Ritter aus ihrer Verwandtschaft ausgegeben worden war und inzwischen nicht
mehr bewohnt war. Falls dieser Ort aber wieder besiedelt werden sollte, gehörten
die Bewohner wie zuvor zu Hamage.1094 Da Warlaing im 12. Jahrhundert zum Be-
sitz der Familie der Landas gehörte, liegt die Vermutung nahe, dass die genannte
Äbtissin ebenfalls eine Landas war.1095 Mit diesem Eintrag erhob das Kloster deut-
lichen Anspruch auf diesen verlorengegangenen Besitz und regelte zugleich eine
etwaige Neubesiedlung des Ortes.
Das Beispiel Warlaing erinnert sehr stark an den Verlust Hamages, von dem in-
teressanterweise im Polyptychon nicht die Rede ist. Stattdessen listet es wie selbst-
verständlich die Besitzungen Hamages auf und bemerkt abschließend, dass all dies

M. Gysseling, Les revenus, les biens et les droits de Saint-Waudru de Mons, S. 239-330). Weitere Bei-
spiele finden sich in B. Delmaire, L’histoire-polyptyque, S. 33.
1092 Douai, ms. 853, fol. 154v (um 1160?), ms. 134, fol. llr und 112v (12. Jh.). Eine Transkription beider
Listen findet sich in B. Delmaire, L’histoire-polyptyque, S. 112-116.
1093 B. Delmaire, L’histoire-polyptyque, S. 94-95. Die Einträge sind weit kürzer als die vorangegangenen.
Dennoch ist nicht davon auszugehen, dass sie erst bei der Abschrift des Polyptychons hinzugefügt
wurden. Grund zu dieser Annahme gibt der Beginn von Kapitel 40 (S. 93) wo es heißt: »Sed priusquam
ad alia transeamus [...].« Diese Lormulierung impliziert, dass weitere Einträge folgten. Ob alle (Kap.
41-53) in der ursprünglichen Version des Polyptychons enthalten waren, lässt sich freilich nicht nach-
weisen.
1094 B. Delmaire, L’histoire-polyptyque, §23, S. 84: »Erat etiam Warlennium supradictum quoddam vi-
cinium pr^diolum ad sanctos pertinens juxta quod, ut fama est, minores prudenti^ minusque provida
qu^dam abbatissa cuidam militia de genere suo, quod non oportuerat, inconsulte donavit et exinde sibi
^cclesi^que dampnum non modicum insipienter ingessit.«
1095 Es handelt sich wohl um die Abtissin Judith, wie eine Randbemerkung aus späterer Hand in der Hand-
schrift erkennen lässt. VgL dazu B. Delmaire, L’histoire-polyptyque, S. 84, Anm. 47.
 
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