Metadaten

Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0285
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5. Die zeitgenössischen Texte als Überreste der correctio | 281

hielt und sogar immer wieder Schmerzen simulierte, wird von Galbert keineswegs
negativ bewertet. Er räumt zwar ein, dass es schmerzlich sei, dass Gott und den
Heiligen ein Jahr lang Lob und Dank vorenthalten wurden, entschuldigt dieses
Verhalten aber mit der großen Bescheidenheit und Demut des Bruders.1159 Indem
Galbert Letzteres unterstreicht, wird erneut deutlich, dass es in seiner Erzählung in
erster Linie darum geht, Eulchards persönliche Entwicklung herauszustellen und
nur sekundär darum, die Wirkmacht der Heiligen von Marchiennes hervorzuhe-
ben. Es ist also vor allem Fulchards persönliche Frömmigkeit, durch die ihm die
Gnade Gottes zuteil wurde und die letztlich dem Kloster zugute kam. Dies wird
auch in jenen Worten deutlich, die Siger, der Mönch aus dem benachbarten Anchin,
an die im Kapitel versammelten Mönche von Marchiennes richtete. So forderte er
sie angesichts dieses Wunders auf, dass sie, die von Gott erneut durch ein Wunder
bedacht wurden, ganz in ihrer Heiligkeit (sanctitas}, ihrer Frömmigkeit {religio}
und ihrer Gerechtigkeit (Justitia} verharren sollten.1160 Auch der Abt, der wenig
später von dem Wunder erfuhr, sei darüber sehr erfreut gewesen und habe sich sehr
dankbar dafür gezeigt. Auch er ermahnte die Brüder dazu, in »keuscher Furcht
für Gott zu kämpfen und sich von Herzen den frommen Geboten hinzuwenden«.
»Wenn sie nämlich so in der begonnenen Frömmigkeit verharrten, würden sie die
Wohltaten des Schöpfers nicht verlassen.« Er gab daher Anweisung, dieses Wunder
für die kommenden Generationen niederzuschreiben.1161 Galbert stellt somit einen
kausalen Zusammenhang her zwischen dem frommen Leben der Mönche von Mar-
chiennes und der Heiligkeit dieses Ortes: Nur wenn die Mönche ein würdiges und
gottgefälliges Leben führten, konnten sie sich der Gnade Gottes sicher sein.1162 Die
correctio des Klosters zielte somit in erster Linie auf die Wiederherstellung eines
frommen und guten Verhältnisses der Mönche zu Gott ab.

1159 Galbert, Patrocinium, c. 2, S. 143C: »Cumque sermonem Domini de re certa, diu taciturnitati deser-
viens, non malitiosa mente, sed pia ut dixi simplicitate, malens pie latere, quam ocius temere efferre,
absconderet.«
1160 Galbert, Patrocinium, c. 2, S. 144C: »Domnus Sigero anhelo passu collocutionem Fratrum appetens,
sine mora Domini nuntiavit magnalia, iteransque de Fratre quid & qualiter gestum esset, exhortabatur
Fratres degere in omni sanctitate & religione & justitia, quos iterum Dominus visitaverat, tarn aperta
praebens miracula.«
1161 Galbert, Patrocinium, c. 2, S. 144D: »Ipse etiam de integro rebus insuetis acceptis, piis perfusus lacry-
mis, pio Satori ac bonorum Remuneratori secretas magis quam publicas grates exolevit; atque nomen
Domini altissimi, mirabiliter in suae & ab eo visitatae ecclesiae novellis rudimentis, gregem suum in-
visenti, benedixit; breviterque Fratres admonuit ut Deo, casto timore militarent, propositae religioni
praecordialiter intenderent, coronandi in finem legitime decertarent. Si enim sic inceptis religiosis per-
sisterent, beneficia Conditoris nec eos hic desererent, imo divina eos opera praevenirent, & munera su-
pernae retributionis fideliter apprehenderent. Praecepit etiam rem gestam, ad memoriam sempiternam
annotari, commendari, frequentari; «
1162 Zu diesem Konzept vgl. A. Diem, Das monastische Experiment.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften