Metadaten

Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0291
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5. Die zeitgenössischen Texte als Überreste der correctio | 287

Die dritte ausführlich geschilderte Erkrankung Fulchards wird in Galberts Be-
richt als die letzte Prüfung Gottes dargestellt. Besonders auffallend ist dabei aller-
dings die außerordentliche Reaktion Fulchards. Anstatt nämlich, wie zuvor, über
sein Schicksal und seine Schmerzen zu klagen und zu jammern und Angst vor dem
Tod zu zeigen, verhält sich der Bruder gelassen, aber auch gefestigt. In Galberts
Geschichte ist nirgends die Rede davon, dass Fulchard etwa klagte oder mit seinem
Schicksal haderte und damit an der Hilfe Gottes zweifelte. Galbert bemerkt viel-
mehr, dass der Bruder nun voll und ganz auf Gott und die Heiligen vertraute und
sich keine Sorgen mehr machte. Seine unerschütterliche Haltung zeigt sich letztlich
auch darin, dass er sich trotz schwerer Krankheit nicht von seinem Dienst ablenken
ließ. Mit großer Beständigkeit verrichtete er sein Werk. Dabei kam es nicht darauf
an, dass er seine Aufgabe möglichst effizient durchführte, sondern auf die richtige
innere Einstellung. Obwohl er mit seinen Händen kaum arbeiten konnte, versuchte
er sich dennoch nützlich zu machen und voller Eifer einzubringen. Die Bemerkung,
Gott habe ihn erst geheilt, als er schließlich körperlich nicht mehr dazu fähig war,
zeigt, dass es auch bei dieser Prüfung in erster Linie um Fulchards innere Einstel-
lung ging. Interessant hierbei ist allerdings, dass diese Einstellung mit den vorange-
gangenen Erfahrungen in direktem Zusammenhang stand. So fürchtete er, dass ein
unwürdiges Verhalten die göttliche Strafe zur Folge haben könnte, wie er es im Lauf
seines Lebens mehrmals erlebt hatte.1182 Seine innere Einstellung rührt somit nicht
allein von der Überzeugung für die Sache her, sondern auch von der Angst und der
Ehrfurcht vor der göttlichen Strafe.1183 1184
Fulchards Verhalten wird vor allem mit der monastischen Tugend der humilitas
in Verbindung gebracht. Der Dienst an den Armen, der, wie Galberts Bericht durch-
scheinen lässt, als besonders niedere Tätigkeit angesehen wurde, wird zum Sinnbild
für die humilitas.nM Dieser habe sich Fulchard voll und ganz hingegeben. Indem
er dies omisso pudore tat, wird deutlich, dass sein Dienst ihn keine Überwindung
kostete, sondern selbstverständlich war und ohne Murren ausgeübt wurde. Diese
Einstellung habe sich schließlich in seinem frommen Geist so tief verwurzelt, dass
es für ihn unerträglich erschien, davon abzuweichen.1185 Sein Aufbegehren gegen die
Anordnung des Abtes wird von Galbert deswegen keinesfalls negativ bewertet. Er
1182 Galbert, Patrocinium, c. 2, S. 145E: »[...] sed officii magna est dignitas, & mea, ne indigne servientem
digna sequatur ultio, me terret indignitas.«
1183 Galbert, Patrocinium, c. 3, S. 146D: »Frater [...] finem suum cum timore, sicut dictum est, praestola-
batur.«
1184 Galbert bemerkt, dass Fulchard »durch die Fessel des Gehorsams« zu diesem Dienst berufen wurde.
VgL Galbert, Patrocinium, c. 2, S. 145B: »[...] pauperum curam exhiberet, catena ductus ad hoc obe-
dientiae.«
1185 Galbert, Patrocinium, c. 2, S. 145F: »[...] pia mente reconditis [...].«
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften