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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0300
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296 | II. Die Abtei von Marchiennes

Stellung - galten diese Mönche doch als Sinnbild für die Unbeständigkeit. Sie hingen
auch noch nach ihrem Eintritt ins Kloster voll und ganz der Welt an und setzten
ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse über die Belange des Klosters. Auch wenn
der Verfasser des Patrocinium hierüber schweigt, ist anzunehmen, dass im Hinter-
grund die Familien der ausgestoßenen Mönche agierten und Einfluss ausübten.1215
Diesen schlechten Mönchen setzt Galbert nun Bruder Fulchard entgegen, der
seiner Berufung und seinem Kloster als einziger treu geblieben war. Die Geschich-
ten des dritten Kapitels sind letztlich, wenngleich sie nicht als solche bezeichnet
werden, als weitere Proben dieses Bruders anzusehen, da seine rechte Gesinnung
durch die sichtbaren und die unsichtbaren Feinde auf den Prüfstand gestellt wurde.
In seinem Narrativ stellt Galbert sehr anschaulich, dar, wie sich der Teufel Schritt
für Schritt dem Kloster näherte und versuchte, den heiligen Ort Marchiennes in sei-
ne Gewalt zu bringen: zunächst in Form jener jungen Kuh, die den einzigen offenen
Eingang des Klosters versperrte, dann sein Eindringen durch die Decke der Klos-
terkirche und schließlich sein Ringkampf mit Fulchard. Das einzige Hindernis, das
der Teufel aus dem Weg zu räumen hatte, war dieser fromme Bruder. Doch weder
durch Angst vor dem Tod, noch durch Ersticken, durch Argumente oder durch
Gewalt konnte der Bruder von seiner Aufgabe abgebracht werden.
Galbert führt seinen Lesern zunächst vor Augen, in welchen zum Teil harmlos
wirkenden alltäglichen Situationen der Teufel im Spiel sein konnte. Besonders inter-
essant ist jene Passage, in der der Dämon mittels Argumenten aus der Bibel versuch-
te, Fulchard vom Unsinn seines Unterfangens zu überzeugen. Sie spiegelt nicht nur
Galberts persönliches intellektuelles Milieu wider, sondern warnt den monastischen
Leser auch vor den Gefahren der intellektuellen Betätigung.1216 Dann zeigt er, wie
man auf die besagten Situationen mit Erfolg reagieren könne: Zunächst war es un-
abdingbar, die Machenschaften des Teufels zu erkennen, bevor man ihnen dann mit
Kreuzeszeichen, Bußpsalmen oder dem Namen Gottes entgegentreten konnte. Be-
sonders auffallend ist allerdings, dass die Hilfe der Heiligen und besonders der heili-
gen Rictrud eine nur sekundäre Rolle spielte. Galbert geht es in diesem Kapitel nicht
vorrangig darum, ein Instrumentarium zur Bezwingung von Dämonen vorzustellen,
sondern darum, zu zeigen, welche Wirkung die unerschütterliche Entschlossenheit
per vagi et numquam stabiles et propriis voluntatibus et guilae inlecebris servientes et per omnia dete-
riores sarabaitis.«
1215 Abt Fulchard stammt selbst aus einer adligen Familie und diente in seinem Amt den Interessen seiner
Familie, vgl. dazu. S. Vanderputten, Fulcard’s Pigsty. Die am bischöflichen Hof eingetroffene Klage
über das Regiment Fulchards stammt wohl nicht nur von den ausgestoßenen Mönchen, sondern auch
von deren Familien. Zu den Bindungen der Mönche mit der Außenwelt vgl. S. Patzold, Konflikte im
Kloster.
1216 Galbert könnte hier auf die Gefahren der Dialektik verweisen.
 
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