5. Die zeitgenössischen Texte als Überreste der correctio | 297
dieses frommen Bruders hatte. All sein Tun und Denken war darauf ausgerichtet, das
Kloster zu beschützen und die Heiligkeit dieses Ortes zu bewahren. Seine ständige
Furcht, dieser Aufgabe nicht gerecht zu werden, hatte letztlich ein besonders from-
mes Leben zur Folge. Wie ein Eremit, bemerkt Galbert, habe er an der Kirchenpforte
voller Entbehrungen gelebt. Sein strenges Fasten scheint auf den ersten Blick ledig-
lich die logische Folge seines Auftrags gewesen zu sein: So habe er lieber gehungert,
als seinen Posten zu verlassen oder irgendetwas von dem Gehüteten für sich oder
jenen Bruder Robert in Anspruch zu nehmen.1217 Hinter seinem freiwilligen Fasten
stand also eine durchaus fromme Intention. Seinen Auftrag verfolgte Fulchard mit
solcher Treue und Beständigkeit, dass daraus wiederum eo ipso die frömmsten mo-
nastischen Praktiken und Tugenden erwuchsen: Sein asketisches Leben bestehend
aus Fasten und Wachen war somit eine logische Folge der Aufgabe, die er sich als
oberstes Ziel gesetzt hatte. Besonders interessant ist zudem, dass Fulchard nicht nur
sein Leben diesem Ziel verschrieb, sondern auch das Bruder Roberts, der letztlich an
den Folgen des überaus asketischen Lebens starb.1218
Die beschriebenen Verhaltens- und Lebensweisen Bruder Fulchards lassen sich
letztlich aber auch im monastischen Diskurs der Zeit betrachten. So soll dem Leser
veranschaulicht werden, dass jeder Mönch, der sich einem höheren Ziel verschrie-
ben hatte, eine asketische Lebensweise und monastische Tugenden nicht als Last zu
empfinden habe, sondern als selbstverständlichen Weg, um dieses Ziel zu erlangen.
Dies gelingt aber nur, wenn man sich bedingungslos diesem Vorhaben verschreibt.
5.1.3. Bruder Fulchard und Abt Fulchard
Während Bruder Fulchard in den ersten drei Kapiteln des Patrocinium als Pro-
tagonist fungiert, übernimmt im vierten Kapitel sein gleichnamiger Abt Fulchard
diese Rolle. Galbert berichtet, wie Abt Fulchard, nachdem er seinen Abtsstab vor
die Füße des Bischofs von Arras geworfen hatte und damit sein Amt, wie der Autor
meint, de facto niedergelegt hatte, nach Marchiennes zurückkehrte und das Kloster
als sein und seiner Verwandten Besitz angesehen habe.1219 Seine Absicht sei es ge-
1217 Die Erwähnung Bruder Roberts zeigt, dass Fulchard doch nicht ganz allein in Marchiennes zurückge-
blieben war.
1218 Das bedingungslose asketische Leben, das Fulchard Robert zwangsläufig auferlegt, wird allerdings
dadurch kompensiert, dass Fulchard sich entsprechend der caritas um diesen kümmert und dies auch
über dessen Tod hinaus.
1219 Galbert, Patrocinium, c. 4, S. 149C: »Contigit interea Fulchardum Abbatem, verbis contumacibus re-
sultantem, atque multarum spirantem minarum, utpote juris Abbatiae suae expertem (cujus virgam,
judicio Domini eum perurgente, apud Episcopalem Sedem multis praesentibus, multisque praesentem
accusantibus & convincentibus, ipsi Atrebatensi Pontifici iratus reddiderat, vel potius cum quamdam
dieses frommen Bruders hatte. All sein Tun und Denken war darauf ausgerichtet, das
Kloster zu beschützen und die Heiligkeit dieses Ortes zu bewahren. Seine ständige
Furcht, dieser Aufgabe nicht gerecht zu werden, hatte letztlich ein besonders from-
mes Leben zur Folge. Wie ein Eremit, bemerkt Galbert, habe er an der Kirchenpforte
voller Entbehrungen gelebt. Sein strenges Fasten scheint auf den ersten Blick ledig-
lich die logische Folge seines Auftrags gewesen zu sein: So habe er lieber gehungert,
als seinen Posten zu verlassen oder irgendetwas von dem Gehüteten für sich oder
jenen Bruder Robert in Anspruch zu nehmen.1217 Hinter seinem freiwilligen Fasten
stand also eine durchaus fromme Intention. Seinen Auftrag verfolgte Fulchard mit
solcher Treue und Beständigkeit, dass daraus wiederum eo ipso die frömmsten mo-
nastischen Praktiken und Tugenden erwuchsen: Sein asketisches Leben bestehend
aus Fasten und Wachen war somit eine logische Folge der Aufgabe, die er sich als
oberstes Ziel gesetzt hatte. Besonders interessant ist zudem, dass Fulchard nicht nur
sein Leben diesem Ziel verschrieb, sondern auch das Bruder Roberts, der letztlich an
den Folgen des überaus asketischen Lebens starb.1218
Die beschriebenen Verhaltens- und Lebensweisen Bruder Fulchards lassen sich
letztlich aber auch im monastischen Diskurs der Zeit betrachten. So soll dem Leser
veranschaulicht werden, dass jeder Mönch, der sich einem höheren Ziel verschrie-
ben hatte, eine asketische Lebensweise und monastische Tugenden nicht als Last zu
empfinden habe, sondern als selbstverständlichen Weg, um dieses Ziel zu erlangen.
Dies gelingt aber nur, wenn man sich bedingungslos diesem Vorhaben verschreibt.
5.1.3. Bruder Fulchard und Abt Fulchard
Während Bruder Fulchard in den ersten drei Kapiteln des Patrocinium als Pro-
tagonist fungiert, übernimmt im vierten Kapitel sein gleichnamiger Abt Fulchard
diese Rolle. Galbert berichtet, wie Abt Fulchard, nachdem er seinen Abtsstab vor
die Füße des Bischofs von Arras geworfen hatte und damit sein Amt, wie der Autor
meint, de facto niedergelegt hatte, nach Marchiennes zurückkehrte und das Kloster
als sein und seiner Verwandten Besitz angesehen habe.1219 Seine Absicht sei es ge-
1217 Die Erwähnung Bruder Roberts zeigt, dass Fulchard doch nicht ganz allein in Marchiennes zurückge-
blieben war.
1218 Das bedingungslose asketische Leben, das Fulchard Robert zwangsläufig auferlegt, wird allerdings
dadurch kompensiert, dass Fulchard sich entsprechend der caritas um diesen kümmert und dies auch
über dessen Tod hinaus.
1219 Galbert, Patrocinium, c. 4, S. 149C: »Contigit interea Fulchardum Abbatem, verbis contumacibus re-
sultantem, atque multarum spirantem minarum, utpote juris Abbatiae suae expertem (cujus virgam,
judicio Domini eum perurgente, apud Episcopalem Sedem multis praesentibus, multisque praesentem
accusantibus & convincentibus, ipsi Atrebatensi Pontifici iratus reddiderat, vel potius cum quamdam