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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0303
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5. Die zeitgenössischen Texte als Überreste der correctio | 299

Während sich der Bruder bei dieser Gelegenheit tatsächlich an den Vorräten des
Klosters vergangen hatte, habe er sich in der erstgenannten Situation eben nicht der
Völlerei hingegeben. Stattdessen habe er einen Teil des undichten Klosterdachs mit
dem Geld aus der Truhe neu decken lassen. Galbert bemerkt, dass er damals lieber
Hunger leiden wollte, als zu sehen, wie Wind und Wetter in die Kirche eindringen
konnten.1224 Nachdem die Reparaturen abgeschlossen waren, habe Abt Fulchard
die Veränderungen am Dach erkannt und gemutmaßt, dass der Bruder wohl Berge
von Gold im Kloster gefunden haben müsse. Sogleich sei der Abt zur besagten
Truhe geeilt, habe sie entriegelt und den im Getreide versteckten Schatz gesucht.
Doch dort, wo er noch drei Tage zuvor gelegen hatte, sei nun nichts mehr zu fin-
den gewesen. Wutentbrannt klagt der Abt, dass es wohl auf Erden keinen Platz
mehr gebe, an dem Besitz sicher sei.1225 Im selben Moment habe er aber eingesehen,
dass er sich zurückhalten müsse und nicht der Habgier hingeben dürfe. Damit, so
Galbert, habe er sich gegen sich selbst erhoben. Das ärmliche und fromme Leben
Bruder Fulchards habe ihn nämlich äußerst bewegt, sein Zorn und seine Wut seien
angesichts der Furcht vor dem Bischof und der Gräfin gewichen und in Traurigkeit
verwandelt worden.1226
Nachdem Abt Fulchard sah, dass er selbst in Marchiennes nichts bewegen konn-
te, habe er seine Strategie geändert und die verschiedenen Höfe in der Grafschaft
frequentiert, um seine Wiedereinsetzung als Abt von Marchiennes zu bewirken und
Unterstützer zu finden. Dem Grafen und der Gräfin habe er viel geboten, ebenso
dem Bischof, doch dessen Ohren seien vor Simonie verschlossen geblieben. Den-
noch habe er nicht davon abgelassen, den Bischof darum zu bitten und anzuflehen,
ihm die Leitung des Klosters zurückzugeben. Er wollte unter Zeugen sein Betragen
und sein Leben ändern. Er habe versprochen, die Würde der Abtei, die durch sei-
ens fami suae in pane & liquamine avenae, nec non in sagimine & farina; dolens ultra quam credi vel
dici possit, post discessum monachorum S. Bertini, ea inhumane agi in conclavi & sub sera, re penitus
sicut prius fere perturbata.«
1224 Galbert, Patrocinium, c. 4, S. 149F: »Verum enim vero unde ventris ingluviem satiare proposuerat, inde
mutuato pretio, partem quamdam monasterii male detectam disposuit retegi: malens solita castigatione
repugnare ventri, quam patere utrobiq; aditus templi Aeolo ventosae cohortis tempestuoso Regi.«
1225 Galbert, Patrocinium, c. 4, S. 149F-150A: »Quo peracto, casu accidente, atrii exterioris ab obliquo
adventanti Abbati Fulchardo res diutius non latuit. Nam sursum erectam aciem oculorum figens, sarta
tecta templi innovata praenotavit, atque intra se Fratrem Fulchardum montes aureos invenisse submur-
muravit. Tarnen de praesagio damni metuens, nec non metuendo casus incertos ad deteriora saepius
devolvens, continuo arcam hordeiferam appetiit, reseraram aperuit; sed de thesauro occultati hordei,
nudiustertius arcae commisso, nihil invenit. Unde mutato colore, Quis igitur, inquit, locorum amodo
nanciscetur securitatis possessiunculam in orbe?«
1226 Galbert, Patrocinium, c. 4, S. 150A: »Sed jam reprimam me, ne nimium avidus ad rem, nimiae cupiditati
videar jam degener inservire: & haec dicens, erexit se contra se. [...] Iracundiam igitur atque jurgia, re-
pressiv vel potius formidine Pontificis seu Comitissae tristem vultum quoquo modo palliavit: alternato
tarnen vultu honestam videbatur causam praetendere, ferens se motum pietate super Fratris egestate
fuisse.«
 
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