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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0403
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6. Der Liber de restauratione und die correctio von 1136 | 399

forderte und auch später im Kloster in besonderer Weise umsetzte.1598 Hermann be-
richtet immer wieder, dass das Leben der Mönche vom Schweigen geprägt gewesen
sei.1599
An zwei Beispielen zeigt Hermann, welche Folgen ein Verstoß gegen das Schwei-
gegebot haben konnte. Bruder Gottfried war ein junger Mönch, der ein besonde-
res Talent beim Abschreiben von Büchern hatte. Hermann, der selbst Zeuge des
Geschehenen war, berichtet, dass Gottfried eines Tages, als er sich mit Abt Segard
unterhalten hatte, plötzlich von Lähmungserscheinungen befallen wurde, an denen
er letztlich starb.1600 Seine Erkrankung scheint auf den ersten Blick der Tatsache
geschuldet zu sein, dass er gegen das Schweigegebot verstoßen hatte und daher die
göttliche Strafe auf sich zog. Der »gute« Tod Gottfrieds macht jedoch deutlich,
dass die strikte Befolgung des Schweigegebots im Hinblick auf das Seelenheil zu
relativieren ist.
Eben dies wird auch im zweiten Beispiel mehr als deutlich. Hermann kommt da-
bei auf seine Mutter Mainsendis zu sprechen, die zusammen mit einer großen Schar
von Nonnen unter der Leitung Eremburgs, der Schwester Odos, lebte. Eremburg
habe wie ihr Bruder ein strenges Regiment geführt und wie er großen Wert auf das
Schweigegebot gelegt. Eines Tages sei Mainsendis schwer erkrankt und habe von
der Oberin die Erlaubnis bekommen, ihre Sünden zu beichten und die Kommu-
nion zu empfangen. Als Mainsendis aber am Ende den Priester darum bat, für sie
zu beten, wurde Eremburg, die zur Kontrolle neben der Kranken gestanden und
jedes Wort mitgehört hatte, zornig. Sie warf ihr vor, nicht gehorsam gewesen zu
sein, weil sie den Priester gegen ihre Anordnung darum gebeten hatte, für sie zu
beten. Obgleich die Kranke beteuerte, dass es ihr nicht um ihre Genesung, sondern
um ihre Seele gegangen sei, wurde Mainsendis bestraft, indem man sie der Gemein-
schaft verwies und auf einer Liege vor das Haus trug, wo sie »drei Tage lang lag,
vielleicht körperlich krank, aber sicherlich frohlockend in der Seele, da sie diese
Pein für Gott in ihrem ehemaligen Haus erduldete.«1601 Erst auf Anordnung Odos
wurde sie wieder in die Gemeinschaft aufgenommen.1602
1598 Hermann, Liber, c. 3, S. 38.
1599 Hermann, Liber, c. 69, S. 121: »[...] totum annum claustro reclusis iugique silentio domitis [...].« ebd.,
c. 79, S. 133: »[...] Commissa namque ei totius ecclesie cura exteriorum, ipse religioni et silentio tarn
ferventer insistebat, ut multociens integre mense de claustro non exiret [...]. [...] si claustrum ingre-
dereris, videres plerumque XII monachos iuvenes [...] cum silentio scribentes.«
1600 Hermann, Liber, c. 76, S. 130: »Hic ergo Godefridus, cum adhuc in iuventute positus post plures
Codices scriptos domnum abbatem egrotantem sanus visitans ei colloqueretur, subito ipse infirmitate
comprehensus, nobis mirantibus ad lectum defertur et post triduum oleo sancto ungitur.«
1601 Hermann, Liber, c. 68, S. 120: »Ibi ergo per triduum iacens, licet infirmitate gravaretur, animo tarnen
exultabat, quia in domo, cuius olim domina fuerat, nunc pro deo tribulationem sustinebat.«
1602 Hermann, Liber, c. 68, S. 120.
 
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