6. Der Liber de restauratione und die correctio von 1136 | 403
nicht nur ihr eigenes Seelenheil, sondern auch die Disziplin in der Gemeinschaft
und somit das Seelenheil der anderen. Eben dies war mit ein Grund dafür, dass das
Martinskloster Ende der 1130er Jahre in eine schwere Krise geraten war. Hermanns
Bemerkung, man schmeichele gegenwärtig jedem, um ihn ins Kloster zu locken,
spricht diese Problematik unmissverständlich an.1614 Das Erinnern an Odos Pro-
ben sollte daher zur genauen Prüfung der Aspiranten ermutigen, war es doch weit
wichtiger, gute und fromme Mönche zu haben als Mönche, die dem Kloster zwar
Schenkungen einbrachten, aber gleichermaßen die Einflüsse der Welt.
Die Nonnen von Saint-Martin
Da Odo, nach Hermanns Angaben, »jeden mit sich zu Gott führen wollte«, nahm
er auch eine große Zahl von Frauen auf. Er präzisiert, dass es sich dabei nicht nur
um reiche, sondern auch um arme Frauen handelte.1615 Mit dieser Bemerkung wird,
wie bereits an anderer Stelle zu sehen war, nochmals deutlich, dass Odo prinzipiell
keine Unterschiede zwischen den Aspiranten hinsichtlich ihres sozialen Standes
machte und somit eine für die Zeit wohl eher ungewöhnliche Rekrutierungspraxis
verfolgte; für den Chronisten war sie jedenfalls besonders erinnerungswürdig.1616
Noch wichtiger war allerdings die Tatsache, dass es Frauen waren, die in die Ge-
meinschaft aufgenommen wurden. Deren Zahl sei schnell so groß geworden, dass
man ein eigenes Kloster für sie errichten musste.1617 Aus dieser Äußerung wird er-
sichtlich, dass die Frauen zu Beginn tatsächlich mit oder zumindest sehr nahe bei
den Brüdern gelebt hatten.1618 Odo habe schließlich das Steinhaus, das ihm der ehe-
malige Vogt von Tournai Rudolf und seine Frau Mainsendis nach ihrer Bekehrung
überlassen hatten, in ein Nonnenkloster umfunktioniert: Da das Haus groß war,
wurde es in eine Kapelle, ein Refektorium und ein Dormitorium aufgeteilt. Dort
habe der Abt des Martinsklosters schließlich sechzig Nonnen untergebracht und
der Leitung seiner Schwester Eremburg anvertraut. Die übrigen Frauen habe er in
1614 Hermann, Liber, c. 67, S. 117.
1615 Hermann, Liber, c. 69, S. 306-307: »Nam cum omnes secum vult ad Deum pertrahere, tantam multitu-
dinem mulierum, non solum pauperum, sed et divitum, suscepit [...].« Hermann dokumentiert zudem
die Konversion einiger adligen Damen: Ada und Agnes führen ein etwas bequemeres standesgemäßes
Leben in Liessies (Hermann, Liber, c. 56, 57, S. 98-102); Richildis (ebd., c. 57, S. 100-102) und Main-
sendis ein strengeres Leben in Saint-Martin (ebd., c. 62, S. 110-113).
1616 Siehe dazu oben S. 401-403.
1617 Hermann, Liber, c. 68, S. 119: »[...] ut eis seorsum monasterium necesse videretur esse construi.«
1618 Als die Mönche Tournai verließen und nach Noyon zogen, blieben die Nonnen, die in der Nähe leb-
ten, zurück. Sie wussten über die Pläne Odos Bescheid. Hermann, Liber, c. 39, S. 79: »Ubi vero per
sanctimoniales quasdam prope ecclesiam commanentes didicerunt eos Noviomum ire, [...].«
nicht nur ihr eigenes Seelenheil, sondern auch die Disziplin in der Gemeinschaft
und somit das Seelenheil der anderen. Eben dies war mit ein Grund dafür, dass das
Martinskloster Ende der 1130er Jahre in eine schwere Krise geraten war. Hermanns
Bemerkung, man schmeichele gegenwärtig jedem, um ihn ins Kloster zu locken,
spricht diese Problematik unmissverständlich an.1614 Das Erinnern an Odos Pro-
ben sollte daher zur genauen Prüfung der Aspiranten ermutigen, war es doch weit
wichtiger, gute und fromme Mönche zu haben als Mönche, die dem Kloster zwar
Schenkungen einbrachten, aber gleichermaßen die Einflüsse der Welt.
Die Nonnen von Saint-Martin
Da Odo, nach Hermanns Angaben, »jeden mit sich zu Gott führen wollte«, nahm
er auch eine große Zahl von Frauen auf. Er präzisiert, dass es sich dabei nicht nur
um reiche, sondern auch um arme Frauen handelte.1615 Mit dieser Bemerkung wird,
wie bereits an anderer Stelle zu sehen war, nochmals deutlich, dass Odo prinzipiell
keine Unterschiede zwischen den Aspiranten hinsichtlich ihres sozialen Standes
machte und somit eine für die Zeit wohl eher ungewöhnliche Rekrutierungspraxis
verfolgte; für den Chronisten war sie jedenfalls besonders erinnerungswürdig.1616
Noch wichtiger war allerdings die Tatsache, dass es Frauen waren, die in die Ge-
meinschaft aufgenommen wurden. Deren Zahl sei schnell so groß geworden, dass
man ein eigenes Kloster für sie errichten musste.1617 Aus dieser Äußerung wird er-
sichtlich, dass die Frauen zu Beginn tatsächlich mit oder zumindest sehr nahe bei
den Brüdern gelebt hatten.1618 Odo habe schließlich das Steinhaus, das ihm der ehe-
malige Vogt von Tournai Rudolf und seine Frau Mainsendis nach ihrer Bekehrung
überlassen hatten, in ein Nonnenkloster umfunktioniert: Da das Haus groß war,
wurde es in eine Kapelle, ein Refektorium und ein Dormitorium aufgeteilt. Dort
habe der Abt des Martinsklosters schließlich sechzig Nonnen untergebracht und
der Leitung seiner Schwester Eremburg anvertraut. Die übrigen Frauen habe er in
1614 Hermann, Liber, c. 67, S. 117.
1615 Hermann, Liber, c. 69, S. 306-307: »Nam cum omnes secum vult ad Deum pertrahere, tantam multitu-
dinem mulierum, non solum pauperum, sed et divitum, suscepit [...].« Hermann dokumentiert zudem
die Konversion einiger adligen Damen: Ada und Agnes führen ein etwas bequemeres standesgemäßes
Leben in Liessies (Hermann, Liber, c. 56, 57, S. 98-102); Richildis (ebd., c. 57, S. 100-102) und Main-
sendis ein strengeres Leben in Saint-Martin (ebd., c. 62, S. 110-113).
1616 Siehe dazu oben S. 401-403.
1617 Hermann, Liber, c. 68, S. 119: »[...] ut eis seorsum monasterium necesse videretur esse construi.«
1618 Als die Mönche Tournai verließen und nach Noyon zogen, blieben die Nonnen, die in der Nähe leb-
ten, zurück. Sie wussten über die Pläne Odos Bescheid. Hermann, Liber, c. 39, S. 79: »Ubi vero per
sanctimoniales quasdam prope ecclesiam commanentes didicerunt eos Noviomum ire, [...].«