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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0419
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7. Zur Konstruktion einer kollektiven Identität | 415

genheiten, die einzelne betrafen. Premontre habe einer Quelle geglichen, an die man
zurückkehrt, um daraus zu trinken.1655 Weniger als dreißig Jahre nach der Grün-
dung Premontres seien bereits mehr als hundert Äbte aus ganz Europa und sogar
aus Jerusalem zum Generalkapitel gekommen.1656
Aus diesen Passagen wird deutlich, dass Hermann genaue Kenntnisse über Pre-
montre und seine Klöster hatte. Mit der Bezeichnung prima mater greift er bereits
terminologisch das Modell der Filiation auf.1657 Und auch die Beschreibung des
Generalkapitels und seiner Funktionen zeigt, dass Hermann zumindest über den
institutionellen Zusammenhang dieser Klöster Bescheid wusste.1658
Obgleich Hermanns Werke von einer erstaunlich großen Begeisterung für Nor-
bert und seine Lebensweise zeugen, kommt er an einigen Stellen auch auf die »Zis-
terzienser« zu sprechen, die ein kaum weniger strenges Leben führten. Im dritten
Buch der Miracula berichtet er, dass Bischof Bartholomäus nicht nur Norbert und
seine Gefährten, die Gott als Kleriker gedient hatten, unterstützt habe, sondern
auch dafür gesorgt habe, dass sich in seiner Diözese Mönche aus Clairvaux nie-
derließen. Er habe ihnen den Ort Foigny, den Norbert einst für die Gründung
seine Gemeinschaft abgelehnt hatte, zur Verfügung gestellt und sie persönlich un-
terstützt.1659 Da der Strom der Bekehrten nicht abgebrochen sei, gründete Bartho-
lomäus eine weitere Gemeinschaft in Epinois und unterstellte sie der Leitung von

1655 Heriman, Les miracles, III, c. 6, S. 214: »Nec contentus fuit intra Laudunensis diocesis terminos frat-
rum suorum turmas coherceri, sed instar apum, que de vasculis in quibus mellficaverint exeuntes, ad
alia loca mellificature transvolant, etiam ipse diversa et deserta loca cepit expetere directisque fratribus
nova monasteria edificare. Constituit vero ut ex omnibus monasteriis, que vel in vita sua, vel post obi-
tum suum institutionis ac regule sue normam ac propositum sequentur, universi abbates singulis annis
in festo sancti Dionisii ad primam mattem, de qua processerant, id est Premonstratensem ecclesiam,
quasi ad fontem potaturi convenirent et simul positi generale capitulum tenerent, ac si quid vel com-
muniter, vel in aliquo forte corrigendum esset, ibidem corrigerent.«
1656 Heriman, Les miracles, III, c. 6, S. 214: »Cum ergo necdum triginta anni transierint, ex quo domnus
Norbertus per supradictum episcopum ibi adductus est, iam tarnen, divina prestante gratia, tot exinde
monasteria pullularunt, ut fere centum abbates in predicto festo ex eis ibi convenisse inveniantur, non
solum Francia, vel Burgundia, sed ex ipsa quoque Alemannia, Saxonia seu Wasconia.«
1657 Auch an anderer Stelle greift er das Prinzip der Filiation auf, wenn er betont, dass allein von Saint-
Martin in Laon ausgehend zwölf Gründungen erfolgt seien. Heriman, Les miracles, III, c. 6, S. 214.
Dass sie alle durch die caritas miteinander verbunden gewesen seien, erinnert bereits sehr stark an die
carta caritatis der Zisterzienser. In der Charta caritatisprior (Einmütig in der Liebe, hg. von H. Brem,
A. M. Altermatt, S. 98) heißt es: »(3) In hoc ergo decreto predicti fratres, mutue pacis futurum precau-
entes naufragium, elucidauerunt et statuerunt, suisque posteris reliquerunt, quo pacto quoue modo,
immo qua caritate monachi eorum, per abbatias in diuersis mundi partibus corporibus diuisi, animis
indissolubiliter conglutinarentur. (4) Hoc decretum cartam caritatis uocari censebant [...].«
1658 Hermann selbst dürfte ganz allgemein mit den Generalkapiteln und den damit verbundenen Problemen
vertraut gewesen sein; siehe dazu oben S. 368-369.
1659 Heriman, Les miracles, III, c. 11, S. 228; nach der Niederlegung seines Bischofsamtes wurde Bartholo-
mäus Mönch in Foigny; vgl. dazu J. M. Canivez, Artikel »Barthelemy de Laon«.
 
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