Metadaten

Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0420
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
416 | III. Die Abtei Saint-Martin in Tournai

Odo, einem Mönch aus Foigny.1660 Eine dritte Gründung war schließlich Vauclair,
welche ebenfalls die Lebensweise der Mönche von Clairvaux befolgte.1661
Interessant an diesen drei Beispielen ist, dass Hermann nicht allgemein von der
Lebensweise der »Zisterzienser« spricht, sondern von jener der Mönche von Clair-
vaux. Dass hier die Rede von Clairvaux und nicht von Citeaux ist, liegt vorder-
gründig schlicht und ergreifend daran, dass der Bischof von Laon für seine Neu-
gründung ganz bewusst eine Gruppe von Mönchen dieses Klosters wünschte.1662
Die Tatsache, dass Hermann in seinem Werk zwischen einem ordo cistellensis und
einem ordo clarevallensis unterscheidet, ist besonders interessant.1663 Ob mit ordo
cistellensis nun tatsächlich die Lebensweise von Citeaux gemeint ist oder die der
»Zisterzienser« im Sinn der institutionalisierten Form des Ordens, lässt sich schwer
entscheiden. Letzteres wäre durchaus auch denkbar, führt man sich vor Augen, dass
Hermann in seinem Liber de restauratione auch ganz allgemein vom rigor Cister-
ciensis spricht, womit sicher nicht allein Citeaux gemeint ist.1664
Entscheidend ist nun aber vielmehr, dass es für Hermann unabdingbar war,
zwischen den einzelnen ordines zu differenzieren. Obgleich er sehr wohl wusste,
dass Clairvaux von Citeaux aus gegründet worden war und sehr eng mit diesem
verbunden war, macht die unternommene Unterscheidung deutlich, dass in Her-
manns Vorstellung Clairvaux trotz allem eine eigene, individuelle Lebensweise ha-
ben musste. Hermann zeichnet hier also kein einheitliches Bild »der« Zisterzienser,
sondern räumt durchaus Platz für eine eigene Akzentsetzung in der Regelobservanz
ein.
Sowohl in seinem De miraculis als auch in seinem Liber de restauratione be-
merkt Hermann zudem, dass viele der Meinung gewesen seien, dass es seit der Zeit
der Apostel keine Konversion mehr gegeben habe, die in so kurzer Zeit so fruchtbar
1660 Heriman, Les miracles, III, c. 12, S. 230.
1661 Heriman, Les miracles, III, c. 13, S. 230; zu Vauclair vgl. L. Morelle, Artikel »Vauclair«; A. Dimier, Les
cisterciens de Vauclair et les premontres; R. Courtois, La premiere eglise cistercienne; zu den Ausgra-
bungen zusammenfassend B. Chauvin, Citeaux, 1098-1998, S. 138-139.
1662 Eine besondere Verbundenheit zu Clairvaux kann auch darin gesehen werden, dass Bartholomäus
mit Bernhard von Clairvaux verwandt war. Vgl. dazu J. M. Canivez, Artikel »Barthelemv de Jur«,
Sp. 1008-1010.
1663 Heriman, Les miracles, III, c. 17, S. 234: »ordo cistellensis«; ebd., III, c. 13, 17, S. 230, 234: »ordo cla-
revallensis«. ebd., III, c. 17, S. 234 taucht auch die »vita Clarevallensium monachorum« auf.
1664 Der textinterne Kontext lässt eigentlich beide Interpretationen zu. In Heriman, Les miracles, S. 235
hat sich A. Saint-Denis in seiner Übersetzung für den generischen Gebrauch entschieden und ordo
cistellensis mit »Ordre de Citeaux« übersetzt und damit in ordo nicht die Bedeutung von Lebens-
weise/Kloster, sondern bereits von Orden sehen wollen. Zu Hermanns Liber de restauratione-. vgl.
c. 79, S. 134; dies ist die einzige Stelle, in der überhaupt die Rede von Citeaux ist. Zur Problematik des
Begriffs ordo vgl. G. Melville, Zur Semantik: Melville stellt für die Prämonstratenser fest, dass der Be-
griff ordo noch 1144 nicht zwangsläufig auf die institutionalisierte Form des Ordens verweist, sondern
ebenso die Bedeutung von Lebensweise tragen konnte.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften