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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0421
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7. Zur Konstruktion einer kollektiven Identität | 417

war, wie jene Norberts. Manche sagten, dass zur selben Zeit Bernhard von Clair-
vaux nicht weniger erfolgreich gewesen sei. Wenn man aber genauer hinschaue,
so Hermann, werde man nicht leugnen können, dass Norbert diesem überlegen
ist.1665 Bernhard sei nämlich nicht der Initiator seiner Observanz gewesen, da diese
bereits im Kloster von Citeaux blühte, als er den Habit unter Abt Stephan genom-
men hatte. Von Citeaux aus sei Clairvaux entstanden, dessen Leitung Bernhard als
erster Abt übernommen und dessen Lebensweise er noch strenger gemacht habe.
Durch seine Predigten habe er zwar viele Menschen bekehrt und von Clairvaux aus
zahlreiche Klöster gegründet, aber dennoch sei er nicht der Initiator dieser Lebens-
weise. Norbert sei dagegen der Begründer und Initiator einer neuen Lebensweise
gewesen. Obgleich seine Gefährten sagten, sie lebten nach der Regel des heiligen
Augustinus, seien die von Norbert aufgestellten Regeln weitaus härter und strenger
als jene Augustins.1666
In dieser Passage spricht sich Hermann unmissverständlich für Norbert und
seine Lebensweise aus.1667 Ausschlaggebend war für ihn allerdings nicht, dass die
Lebensweise von Citeaux weniger streng oder gottgefällig gewesen wäre und sich
an einem anderen Regeltext orientierte als jene Premontres. Wichtiger war ihm viel-
mehr die Rolle ihrer Repräsentanten. Norberts Überlegenheit gegenüber Bernhard
lag vor allem in der göttlichen Eingebung zu einer solchen Lebensweise begründet.
Nach Hermanns Auffassung war somit die Schaffung einer neuen religiösen Le-
bensform höherwertiger als deren Verschärfung und Propagierung. Letzteres konn-
te Hermann selbst in Tournai erleben: In seinem Liber de restauratione berichtet er
an einer Stelle, dass Bernhard zahlreiche bedeutende Kanoniker der Stadt und der
Diözese bekehrt und für seine Lebensweise gewonnen hatte. Bedenkt man, dass
Saint-Martin bis dahin die Anlaufstelle für viele bekehrte Kanoniker war und diese
Stellung seit den 1130er Jahren nun auch mit Saint-Nicolas-des-Pres teilen musste,
1665 Heriman, Les miracles, III, c. 7, S. 216: »Sed ut iam de eodem Norberto breviter concludam, nullius
post apostolos conversationem plurimi testantur in sancta Ecclesia tantum fructum in tarn brevi spatio
temporis fecisse. Licet enim aliqui dicant domnum Bernardum abbatem Clarevallensem eodem tem-
pore non minus fructificase, tarnen si quis diligentius attendat, puto quod Norbertum precellere non
negabit.«; zum selben Urteil kommt Hermann, Liber, c. 85, S. 140: »[...] ut nullum post apostolos
videamus hodie tantum fructum in ecclesia fecisse.«
1666 Heriman, Les miracles, III, c. 7, S. 216-218: »Domnus siquidem Bernardus illius religionis non fuit
inceptor, sed iam eadem religio florebat in Cistellensi cenobio, in quo prefatus Bernardus cum esset
clericus, audita eiusdem religionis fama, monasticum habitum sub abbate Stephano sumpsit. De quo
etiam cenobio Clarevallense monasterium processit, cuius idem Bernardus, pro sua sanctitate primus
abbas est institutus. Ipse ergo, quamvis sua predicatione plurimos converterit multaque monasteria de
Clarevallensi gratia Dei genuerit, tarnen ipsius religionis rigator quidam magnus, et propagator, sed
non primus fuit plantator. Nobertus autem sue institutionis primus fuit plantator primusque Dei dono
inceptor, quoniam, licet eius sequaces beati Augustini dicant se teuere regulam, tarnen, ut austeriorem
videmus esse Norberti quam Augustini institutionem.«
1667 In Heriman, Les miracles, III, c. 4, S. 208 spricht Hermann von Norbert als vir Dei.
 
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